Die SPÖ kritisiert die „unverhohlenen Drohungen“ des freiheitlichen EU-Spitzenkandidaten im ORF, die Neos orten „einen neuen Tiefpunkt". Die FPÖ ist indes empört über ORF-Moderator Wolf.
Nach dem Auftritt von FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky in der "Zeit im Bild 2" am Dienstag gehen die Wogen hoch. Vilimsky hatte sich über die Fragen von Moderator Armin Wolf empört und "Folgen" angedroht. Von FPÖ-Seite gab es danach noch mehr Kritik an Wolf; die Opposition kritisierte das Medienverständnis der FPÖ. ÖVP-Medienminister Gernot Blümel wollte das Interview letztlich gleich gar nicht kommentieren.
Der Reihe nach: Wolf hatte Vilimsky mit einem Cartoon der steirischen Parteijugend konfrontiert. Darin wurde eine einheimische Familie in grüner Tracht als von finsteren Zuwanderern mit langer Nase, Bart und Buckel bedroht dargestellt. Der "ZiB2"-Anchorman verglich dies mit der Darstellung eines Juden im NS-Kampfblatt "Der Stürmer". Vilimsky fand das geschmacklos und skandalös und sprach von "unterster Schublade". Er sah seine Partei in die Nähe zum Nationalsozialismus gerückt. "Das ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann", sagte er drohend.
Strache: „Sachlichkeit kennt ein Herr Wolf wohl nicht"
Noch in der Nacht meldete sich dazu FPÖ-Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache via Facebook zu Wort. "Sachlichkeit kennt ein Herr Wolf wohl nicht", schrieb er. "Sowohl die Opposition als auch eine Hand voll Journalisten stellen ihre eigenen politischen Ansichten permanent über ein demokratisches Wahlergebnis." Ihm sei es aber "relativ egal", ob "ein Herr Wolf unser Handeln und Tun für gut empfindet oder nicht".
Christian Hafenecker, wie Vilimsky FPÖ-Generalsekretär, sah im "Stürmervergleich" den Beweis, "wie unterirdisch der ORF mittlerweile ist". Via Twitter griff auch er Wolf direkt an: Man müsse dem Journalisten "dankbar dafür sein, dass er nicht einmal versucht, sich zu verstellen. Gut, dass Leute wie er nur vorgefertigte Texte verlesen dürfen und nicht etwa als Richter agieren können".
Der freiheitliche Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, Norbert Steger, ortete indes in Vilimskys Angriffen kein Drohpotenzial, wie er dem "Kurier" am Mittwoch sagte. "Was war beim 'Stürmer' die Konsequenz? Man war mit dem Leben bedroht. Was droht Wolf? Dass ich sage, dass ist nicht Journalismus wie ich ihn mir vorstelle." Wolf solle sich "um die Sozialistische Partei kümmern" und "für sie kandidieren", sagte Steger. Der Stürmer-Vergleich sei empörend, weil den Nationalsozialismus verharmlosend: "Ich halte das für pervers, dass man solche lauen Lüfterl immer mit Nazis vergleicht."
Blümel: "Ich bin Medienpolitiker, nicht -kommentator"
Von Seiten der Volkspartei wollte man sich am Mittwoch nicht einmischen. "Ich bin Medienpolitiker und nicht -kommentator und will nicht jedes Interview kommentieren", sagte Medienminister Blümel am Rande des Ministerrates.
Sehr wohl das Wort ergriff die Opposition. "Es vergeht weiterhin kein Tag, an dem die FPÖ nicht an den Grundfesten der Demokratie sägt", meinte SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda. "Vilimskys unverhohlene Drohungen auf berechtigte Fragen zur Abgrenzung der FPÖ gegenüber dem Nationalsozialismus sind ein weiterer besorgniserregender Schritt in Richtung illiberale Demokratie Orban'scher Prägung."
Auch die EU-Spitzenkandidatin und Mediensprecherin der Neos, Claudia Gamon, sah sich an Ungarn erinnert. "Mit Drohungen auf kritische Fragen zu reagieren - damit hat die FPÖ einen neuen Tiefpunkt erreicht", schrieb sie in einer Aussendung. Alma Zadic ortete in Vilimskys Aussagen eine "absolute Grenzüberschreitung, nach der wir nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen können".
Sieben Parteien stehen bei der EU-Wahl am Stimmzettel, nur zwei von ihnen werden von einer Frau in die Wahl geführt. Claudia Gamon und Katerina Anastasiou sind zudem die mit Abstand jüngsten Listenersten. Und drei der sieben Spitzenkandidaten sind oder saßen schon einmal im Europaparlament. Ein Überblick. imago images / IPON
Schon seit 1999 im EU-Parlament, tritt Karas zum zweiten Mal als ÖVP-Spitzenkandidat an, um Platz 1 zu verteidigen. Zwar ist sein Verbleib nicht absolut sicher, vergibt die ÖVP die Mandate doch strikt nach Vorzugsstimmen, doch war er 2009 und 2014 Vorzugsstimmenkaiser. Das verhalf ihm auch unter Parteichef Sebastian Kurz erneut zu Listenplatz 1 - obwohl sich der Delegationsleiter so manche Abweichung von der Parteilinie samt Kritik an der FPÖ geleistet hat. Der am 24. Dezember 1957 in Ybbs an der Donau geborene Karas studierte Politikwissenschaften, war im Banken- und Versicherungsbereich tätig und ging dann in die Politik, wo er Obmann der ÖVP-nahen Union Höherer Schüler und der Jungen ÖVP war, Nationalratsabgeordneter, Generalsekretär und nun EU-Parlamentarier. Die Presse
Schieder ist Newcomer in der EU-Riege - aber reich an parlamentarischer Erfahrung, gesammelt im Wiener Landtag und im Nationalrat (seit 2013 als Klubobmann). Der Versuch, in Wien Bürgermeister Michael Häupl zu beerben, scheiterte im Jänner 2018. Die neue Parteichefin Pamela Rendi-Wagner nahm ihm im Herbst 2018 auch den Klubchef-Posten ab - mit dem Trostpflaster des EU-Listenersten. Der am 16. April 1969 geborene Wiener ist Magister der Volkswirtschaftslehre. Von 1997 bis 2006 saß er im Wiener Landtag, im Oktober 2006 wechselte er in den Nationalrat, im Juli 2008 machte ihn Werner Faymann zum Staatssekretär (Kanzleramt, dann Finanzen), und im Oktober 2013 zum Klubchef. Seit Juni 2016 Parteichef-Stellvertreter blieb Schieder nach der Wahlschlappe 2017 bis zur Ablösung durch Rendi-Wagner noch geschäftsführender Klubchef. Die Presse
2014 schaffte Vilimsky als Ersatzmann für Andreas Mölzer satte Zugewinne, heuer führt er die FPÖ zum zweiten Mal in die EU-Wahl. Der frühere EU-Gegner strebt - wie er beteuert - nicht mehr den Austritt, sondern die Reform der Union an, und zwar in einer Rechtspopulisten-Allianz u.a. gemeinsam mit Italiens Lega und Frankreichs Front National. Der Innenpolitik blieb er auch nach seinem Einzug ins EU-Parlament 2014 treu, Vilimsky behielt den seit 2006 von ihm ausgeübten Posten des FPÖ-Generalsekretärs. Seine Parteikarriere gestartet hatte der am 22. Juli 1966 geborene Wiener - der von Beruf "akademisch geprüfter PR-Berater" - als Pressereferent. Er kam unter Jörg Haider in den Parlamentsklub (1991 bis 1996), danach in den Wiener Rathausklub, wo er 2004 bis 2006 auch Landesparteisekretär war. Die Presse
Die 30-jährige Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon ersetzt Angelika Mlinar, die sich wegen mangelnder Unterstützung durch die Partei zurückzog und jetzt in Slowenien antritt. Mit ihr hatten die Neosgleich beim ersten EU-Anlauf 2014 8,1 Prozent und ein Mandat geholt. Gamons Ziel ist, "stärker abzuschneiden" und ein zweites pinkes Mandat zu erreichen. Politische Erfahrung hat die Jüngste im Feld der Listenersten bereits einige gesammelt. Schon während des (mit Master beendeten) Studiums International Management/CEMS engagierte sie sich für die Jungen Liberalen in der Hochschulpolitik, sie war zweimal Spitzenkandidatin bei den ÖH-Wahlen. Seit Oktober 2015 ist die am 23. Dezember 1988 in Feldkirch geborene Vorarlbergerin Abgeordnete zum Nationalrat. Die Presse
Quasi das Comeback der Bundes-Grünen - nach dem Rauswurf aus dem Nationalrat 2017 - soll die EU-Wahl werden. Also hat Kogler sie zur "Chefsache" gemacht. Der nach dem Desaster eingesprungene und im November 2018 offiziell gekürte Parteichef ist Spitzenkandidat. Ziel sind die für ein Mandat nötigen rund fünf Prozent - relativ bescheiden nach Ulrike Lunaceks Rekordergebnis von 14,5 Prozent und drei Mandaten 2014. Der am 20. November 1961 in Hartberg geborene Kogler - ein Magister der Volkswirtschaft - ist grünes Urgestein. In den 1980er-Jahren war er Gründungsmitglied der steirischen Partei, bis 2014 Landessprecher - und saß von 1985 bis 1988 im Grazer Gemeinderat. 1999 zog er in den Nationalrat ein, war Leiter des Rechnungshofausschusses, Budget- und Finanzsprecher, Vize-Klubchef unter Eva Glawischnig. Die Presse
Die vom Ex-Grünen Peter Pilz gegründete Liste Jetzt würde bei der EU-Wahl gern den Nationalrats-Wahlerfolg wiederholen - und setzt auf einen Ex-Grünen. Voggenhuber bemüht sich mit Jetzt/Initiative 1 Europa um sein Straßburg-Comeback: Mit der Volksabstimmung 1994 wurde der vehemente EU-Gegner zum glühenden Befürworter - und war von Anfang an (seit 1995) Europaparlamentarier. 2009 zog er bei der Listenwahl der Grünen allerdings den Kürzeren gegen Ulrike Lunacek - und brach daraufhin mit seiner Partei. Begonnen hatte die Karriere des am 5. Juni 1950 geborenen Salzburgers - der als Versicherungsfachangestellter tätig war - 1997 als Sprecher bei der grünen Bürgerliste in seiner Heimatstadt: 1982 holte er bei der Gemeinderatswahl ein "Traumergebnis" und zog als erster Grüner Europas in eine Stadtregierung ein. 1988 wurde er Bundesgeschäftsführer der Grünen, 1990 zog er in den Nationalrat ein, bis 1992 war er Klubobmann, und 1995 wurde er (damals noch ohne Wahl) zum EU-Mandatar der Grünen nominiert. Die Presse
Die KPÖ (heuer als "KPÖ Plus - European Left") geht als einzige Partei mit einer Listenersten, die nicht österreichische Staatsbürgerin ist, in die Wahl. Die 35-jährige Katerina Anastasiou wurde am 20. Juni 1983 in Griechenland geboren. Im Alter von 20 kam sie nach Wien, wo sie seither lebt und arbeitet. Seit 2015 ist sie für transform!europe tätig, ein Netzwerk von 32 europäischen Organisationen und Stiftung der Partei der Europäischen Linken. Dort koordiniert sie Projekte zum Thema Migration und internationale Angelegenheiten, außerdem ist sie in sozialen Initiativen, Flüchtlings- und Migranten-Organisationen aktiv. Die KPÖ war zwar - allein oder in Bündnissen - bei allen EU-Wahlen dabei, kam aber noch nie in die Nähe der für ein Mandat nötigen fast fünf Prozent. (c) KPÖ Plus
Die Freiheitlichen setzen bei der EU-Wahl auf das Asylthema und wollen damit die SPÖ überholen. Zuvor ziehen sie aber noch die Konsequenzen aus dem „Ratten-Gedicht“.
Die Spitzenkandidaten von ÖVP und FPÖ für die EU-Wahl trafen auf „Puls 4“ zum ersten Duell aufeinander - und teilten dort nicht nur Geschenke, sondern auch Untergriffigkeiten aus.
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