Die Partei gewinnt viele Wähler zurück. Sie verliert damit aber ihren Chef. Wird Werner Kogler trotz Neuwahl wirklich nach Brüssel gehen?
Wien. „Es gibt nur einen Werner Kogler, einen Werner Kooogler, nur einen Werner Kogler“: Die Grünen-Funktionäre sangen, applaudierten und schwenkten ihre grünen EU-Fähnchen, als Spitzenkandidat Werner Kogler das Metropol in Hernals betrat. Er nützte die ausgelassene Stimmung, zog sein Sakko aus und begann den Wahlabend mit einem ausgelassenen Tänzchen mit Sarah Wiener.
Die Grünen hatten auch allen Grund dazu. Mit 14 Prozent fuhren sie ihr zweitbestes bundesweites Ergebnis aller Zeiten ein. Durch die Wahlkarten könnte sogar das dritte Mandat erhalten bleiben. Nur bei der EU-Wahl 2014 war man noch etwas stärker. Damit erlebten die Grünen ein Jahr und sieben Monate nachdem sie aus dem Nationalrat fielen, ihre politische Wiederauferstehung und feierten die ausgelassen auf der Tanzfläche.
Die Partei hatte zwar wenig Geld, aber viel Gespür für den Wahlkampf. Man hat jene Menschen, die das Ausscheiden der Grünen aus dem Nationalrat nach fast 31 Jahren dann doch schmerzte, mit provokanten Sprüchen angelockt. „Wer braucht schon Frieden?“ Du?“ wurden die Wähler gefragt und zur Rückkehr zu den Grünen aufgefordert. Das und die thematische Großwetterlage bescherte der Partei Rückenwind. Seit die junge Schwedin Greta Thunberg zum „Fridays for Future“-Protest aufrief, war Klimaschutz wieder angesagt, und da wird den Grünen immer noch am ehesten das Vertrauen geschenkt.
Er war Gründungsmitglied, ist seit Herbst 2018 Bundessprecher und führte die Grünen nun als Spitzenkandidat in die Europawahl: Werner Kogler (57) ist einer der letzten der alten Riege der Partei. Nach dem Wahldebakel 2017 hat er sie fast im Alleingang auf Erneuerungskurs gebracht. Mit dem Wiedereinzug ins EU-Parlament ist eine wichtige Zwischenetappe zurück in den Nationalrat geschafft. APA/BARBARA GINDL
Noch vor zwei Jahren standen die Grünen vor dem Abgrund: Nach schweren internen Turbulenzen, dem Abgang von Eva Glawischnig und der Gründung einer konkurrierenden Liste durch Peter Pilz flogen die Grünen unter dem Duo Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek aus dem Nationalrat. Es folgte eine Abschiedswelle; übrig blieb nur Kogler, der sich bereit erklärte, den Kopf hinzuhalten und zu retten, was noch zu retten war. APA
Unter dem Motto "Rudern statt Sudern" war der Volkswirt aus der Steiermark seither unermüdlich unterwegs, um die Grünen aus der Depression zu holen, die Parteifinanzen zu retten, neue (und vor allem jüngere) Köpfe an die Spitze zu bringen und die Grünen auf die Kernthemen Ökologie und Gerechtigkeit zu fokussieren. Er sei "stolz darauf, ein Fundi zu sei", sagte er zuletzt und stellte sich damit nicht nur gegen Rechtspopulisten, sondern auch gegen den Versuch der SPÖ, bisherige Grünwähler abzuwerben. (Im Bild: Werner Kogler, Sarah Wiener und Monika Vana) APA/HELMUT FOHRINGER
In vorderster Front der Grünen zu stehen, ist für Kogler ziemlich neu. Zwar fungierte er als Landessprecher in der Steiermark, im Bund war er aber eher auf Stellvertreter-Positionen abonniert, sei es im Parlamentsklub oder in der Bundespartei. Besser gefiel er sich als einer der grünen Aufdecker, etwa in der Causa Hypo. APA
Im Nationalrat galt er als Mandatar, der stets einige verbale "Wuchteln" im Gepäck hatte - allerdings mit Hang zur Weitschweifigkeit. Legendär war seine 12 Stunden und 42 Minuten dauernde Filibusterrede gegen den Budgetvoranschlag der Regierung 2010, die er mit den Worten "Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte" beendete. APA
Seine beste politische Zeit vor dem jetzigen zweiten Frühling erlebte Kogler rund um die Nationalratswahl 2013, als die Grünen mit ihrem Anti-Korruptionskurs noch punkten konnten. Mit dem "Hypo-Krimi" tingelte er durch Österreich, und im Ausschuss zu dieser Causa war er Fraktionsführer. Seine berühmten Schachtelsatztiraden widmete er auch dem Kampf gegen die transatlantischen Freihandelsabkommen Ceta und TTIP. Presse
Kogler galt trotz der Selbstcharakterisierung als Fundi immer als Pragmatiker, guter Verhandler und leutseliger Vielredner. Stammgast ist er im bei Journalisten und Fußballfans beliebten Wiener Cafe Anzengruber, wo er - nach Eigenangaben - am liebsten einen Espresso oder ein steirisches Puntigamer-Bier zu sich nimmt. APA
Der am 20. November 1961 in Hartberg geborene Kogler studierte Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften und war in den 1980er Jahren Gründungsmitglied der Alternativen Liste Steiermark und Österreich. Von 1985 bis 1988 war der Gemeinderat in Graz. Seit 1999 saß er im Nationalrat, unter anderem als Leiter des Rechnungshofausschusses, Budget- und Finanzsprecher seiner Partei und Stellvertreter von Eva Glawischnig. Nach dem Debakel 2017 übernahm er zunächst interimistisch die Partei, seit Herbst 2018 ist er gewählter Bundessprecher. APA/HERBERT NEUBAUER
Werner Kogler: Mit "Wuchteln" aus der grünen Schockstarre
Sie haben aber nicht nur auf den richtigen Slogan und das richtige Thema, sondern vor allem auf die richtige Person gesetzt. Der Parteichef selbst wurde in das Rennen um einen Sitz im EU-Parlament geschickt. Der Wahlkampf sollte ihm und damit der im öffentlichen Diskurs nahezu verschwundenen Partei eine Bühne bieten.
Die Strategie ging auf. Werner Kogler tourte von Stammtischen und Kirtagen zu Podiumsdiskussionen und Fernsehauftritten. Dort punktete der 57-jährige Steirer mit Dialekt, da mit Sachkenntnis und überall wetterte er gegen „die rechtsrabiate Rasselbande“ und die „durchgeknallte Konzernlogik“. Der bodenständige Kogler verdrängte das Bild der abgehobenen und moralisierenden Grünen zusehends. Und so saß er gedanklich schon bald im klimafreundlichen Zug nach Brüssel bzw. Straßburg.
EU-Abgeordneter und Parteichef „das geht sich gut aus“, sagte Kogler stets beschwichtigend. Bei der Reise ins EU-Parlament hat aber niemand mit dem innenpolitischen Zwischenstopp auf Ibiza gerechnet. Dass ein Skandalvideo auftaucht, das Vizekanzler Heinz-Christian Strache zum Rücktritt zwingt, die türkis-blaue Koalition platzen lässt und Neuwahlen auslöst, war nicht vorherzusehen. Auch für keinen grünen Strategen.
Spitzenduo für Neuwahl
Die Partei könnte nun bereits im Herbst wieder in den Nationalrat einziehen. Doch wen werden die Grünen ab Montag, ab dem Tag nach der EU-Wahl, dafür in die erste Reihe stellen? Es gibt, wie die Funktionäre am Wahlabend sangen, eben „nur einen Werner Kogler“ und der wurde von den Wählern nach Brüssel geschickt.
Am Wahlabend war aber auch Koglers Blick bereits auf die Nationalratswahl gerichtet. Zehn Prozent könne man da anpeilen. In den Kampf wolle man ein grünes Spitzenduo ziehen lassen. Bis Juli soll sich entscheiden, wer das sein soll. Ob er selbst eine Option sei, ließ Kogler offen. Am Wahlabend wurde lieber getanzt als politisiert.
Der Grüne Bundessprecher Werner Kogler hat am Samstag eine Grüne Doppelspitze, wie in Deutschland, für die vorgezogene Nationalratswahl angedeutet. Er sei zudem offen für eine Zusammenführung mit der Liste Pilz.
Wer soll Spitzenkandidat der Grünen für die Nationalratswahl im Herbst werden? Werner Kogler wäre prädestiniert dafür, sagt der grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi.