Weniger Ministerien, keine Staatssekretariate, schlanke Kabinette: In ihrer ersten Pressekonferenz als Regierungschefin betont Brigitte Bierlein die Bedeutung des Dialogs und appelliert an die Jugend.
Kurz nach 11 Uhr wurde Brigitte Bierlein am Montag in der Wiener Hofburg zu Österreichs erster Bundeskanzlerin angelobt. Um 13 Uhr hielt die bisherige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes im gegenüberliegenden Bundeskanzleramt dann ihr erste Pressekonferenz als Regierungschefin ab und betonte dabei, dass das vorrangige Ziel von ihr und ihren Ministern sei, „Ihnen, geschätzte Österreicherinnen und Österreicher, zu dienen“ und für ein „starkes, lebenswertes und tolerantes Österreich“ Sorge zu tragen. „In diesem Sinne werden wir arbeiten“, betonte die 69-Jährige.
In ihrer knapp zehnminütigen Stellungnahme, nach deren Ende keine Fragen zugelassen waren, dankte Bierlein Bundespräsident Alexander Van der Bellen für das in sie gesetzte Vertrauen: Wer immer das Amt des Kanzlers bekleiden dürfe, trage eine große Verantwortung, meinte die ehemalige Richterin: „Ich bin mir dieser großen Verantwortung bewusst und nehme die Aufgabe mit Demut und dem festen Glauben an die Stärke der Republik an.“ Auch dankte sie jenen Experten, die sich für die Zeit bis zu den Neuwahlen im Herbst als Ressortchefs zur Verfügung gestellt haben: „Sie alle eint ihre unbestrittene Expertise und der treue, lange Dienst im Dienste der Republik.“
Habemus Regierung - wieder einmal. Brigitte Bierlein, erste Kanzlerin Österreichs und bisherige Präsidentin des Verfassungsgerichtshof, hat ihr Kabinett zusammengestellt, mit dem sie das Land bis zu den Neuwahlen im September regieren wird. REUTERS
Der frühere Präsident des Verwaltungsgerichtshofs ist neuer Justizminister und Vizekanzler. Jabloner war von 1998 bis 2003 auch Vorsitzender der Historikerkommission, er gilt als SPÖ-nahe. APA/ROLAND SCHLAGER
Der Leiter der Europaabteilung im Außenressort ist neuer Außenminister sowie zuständig für die EU-Agenden, Kunst, Kultur und Medien. Schallenberg gilt als ÖVP-nahe, er hat für die Volkspartei auch den Koalitionsvertrag mit der FPÖ mitverhandelt. APA/HELMUT FOHRINGER
Der Jurist wurde 2006 unter Karl-Heinz Grasser Präsident der Finanzprokuratur. Damit ist er Anwalt und Berater der Republik. Von 2009 bis 2012 war er außerdem Leiter der CSI Hypo. Nicht selten wird Peschorn als "der mächtigste Beamte des Landes" bezeichnet, nun übernimmt er das Innenressort. APA/ROLAND SCHLAGER
Eduard Müller war bisher Leiter der Sektion eins, das ist die Präsidialsektion im Finanzministerium. Diese ist für das Personalmanagement verantwortlich und hat die zentrale Koordinierungsverantwortung für den Resourceneinsatz im Ressort. Müller wurde von Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling in diese Funktion berufen – und das etwas ungewöhnlich: Unter Finanzministerin Maria Fekter war Müller, damals Vize-Leiter der Sektion vier, angeblich im Groll aus dem Ministerium in die Privatwirtschaft geflüchtet und Geschäftsführer des Linde-Verlags geworden. Schelling gelang es, ihn zurückzuholen. APA/HELMUT FOHRINGER
Sie ist eine Wegbegleiterin des einstigen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel: Elisabeth Udolf-Strobl arbeitete in den Kabinetten des damaligen Wirtschafts- und Außenministers, ehe sie im Jahr 1999 Leiterin der Sektion Tourismus im Wirtschaftsministerium wurde. Später kam auch noch die Zuständigkeit für historische Bauten – etwa das Schloss Schönbrunn – hinzu. APA/HELMUT FOHRINGER
Auch sie war bis dato Leiterin der Präsidialsektion, in diesem Fall des Sozialministeriums. Die Bestellung von Zarfl als Sozialministerin gilt als Signal an die SPÖ. Die studierte Naturwissenschafterin leitete im Sozialressort die Gruppe EU, Internationales, Senioren und Freiwillige, ehe sie 2015 vom damaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer zur Sektionschefin bestellt wurde. Hundstorfer bezeichnete damals die Bestellung der Mutter zweier Töchter als klares Signal für Frauen in Führungspositionen. APA/HELMUT FOHRINGER
Das Landwirtschaftsministerium bleibt in weiblicher Hand: Maria Patek übernimmt von Bundesministerin Elisabeth Köstinger. Von dieser wurde sie Mitte 2018 mit der Leitung der Sektion Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit im Landwirtschaftsministerium betraut. Davor leitete sie die Sektion "Wasserwirtschaft". Im Landwirtschaftsministerium agierte sie außerdem zwei Jahre lang als Beauftragte für Gender Mainstreaming. APA/HELMUT FOHRINGER
Andreas Reichhardt fungierte unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) als Generalsekretär. Zuvor war der Burschenschafter Sektionschef im Verkehrsministerium. Im Jahr 2008 sorgten Fotos für Aufregung, die Reichhardt gemeinsam mit dem zurückgetretenen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei Wehrsportübungen zeigten. Der 50-jährige Wiener begann seine politische Karriere als Referent des Zweiten bzw. Dritten Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn (FPÖ) und stieg unter Minister Hubert Gorbach (FPÖ) zum stellvertretenden Kabinettschef auf. Seit Frühjahr 2018 ist Reichhardt Mitglied im Aufsichtsrat der Asfinag sowie im ÖBB-Aufsichtsrat. APA/ROLAND SCHLAGER
Mit Thomas Starlinger übernimmt ein bisheriger Mitarbeiter des Bundespräsidenten die Funktion des Verteidigungsministers. Denn Alexander Van der Bellen machte Starlinger Anfang 2017 zu seinem Militär-Adjutanten. Der Generalmajor übernahm damit die Aufgabe des Verbindungsorgans des Staatsoberhaupts und Oberbefehlshabers zum Bundesheer. Zuvor war Starlinger vier Jahre lang Vize-Chef des Stabes beim multinationalen Kommando "Operative Führung Eingreifkräfte" in Ulm, wodurch er mit den aktuellen geopolitischen Entwicklungen mit Fokus auf den Balkan, Nahen und Mittleren Osten und Afrika sowie den Flüchtlingsbewegungen aus dem Osten und Süden Richtung EU bestens vertraut war. APA/HELMUT FOHRINGER
Ines Stilling, eine Juristin aus Graz, hat im Frauenministerium Karriere gemacht. Sie war im Büro von Frauenministerin Doris Bures, bei deren Nachfolgerin Gabriele Heinisch Hosek stieg sie zur Büroleiterin auf. 2012 macht Heinisch Hosek sie zur Leiterin der Sektion zwei (Frauenangelegenheiten und Gleichstellung) im Bundeskanzleramt. Diese Funktion behielt sie auch nach dem Regierungswechsel 2017 unter Bundeskanzler Sebastian Kurz. Stilling ist eine Verfechterin des Gender Mainstreaming und des „Gender Budgeting“ in den Ministerien. Sie gilt als pragmatische Linke. APA/HELMUT FOHRINGER
Die in Helsinki geborene österreichische Wirtschaftswissenschaftlerin Rauskala arbeitete seit 2007 im Wirtschaftsministerium und war dort Mitarbeiterin von drei ÖVP-Ministern: Johannes Hahn, Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle. Von 2011 bis April 2015 leitete sie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften die Fachstelle für Public Financial Management. 2015 holte Reinhold Mitterlehner sie als Sektionschefin ins Wissenschaftsministerium. APA/HELMUT FOHRINGER
Habemus Kabinett: Die Übergangsregierung im Überblick
Österreich, so führte sie aus, sei ein Land mit einer starken, unabhängigen Justiz, mit freien Medien und einer transparenten, öffentlichen Verwaltung. Insofern würde die Regierung auch darauf achten, dass den Bürgern „alle Dienstleistungen des Staates ins höchster Qualität uneingeschränkt zur Verfügung stehen“. Weiters sei dem Kabinett der sorgsame Umgang mit dem Steuergeld ein Anliegen, weshalb es weniger Ministerien (aus 14 wurden zwölf), keine Staatssekretariate und schlanke Ministerkabinette geben werde.
In den nächsten Tagen und Wochen sei es vordringlich, dass sich alle neuen Amtsträger in ihren Bereich einarbeiten, bat Bierlein die anwesenden Journalisten um Verständnis, dass man sich zunächst einen Überblick über die anstehenden Themen verschaffen und erst danach „gerne“ Interviews geben werde.
Zu diesem Überblick gehöre auch das Führen von Gesprächen. Sie und ihre Regierungsmannschaft würden sich „mit all unserer Kraft“ um das Vertrauen der Bürger, der im Parlament vertretenen Parteien, der „vielen Amtsträger“, der Vertreter der Zivilgesellschaft und der Religionsgemeinschaften bemühen, versprach die Kanzlerin. Und wiederholte den Appell von Van der Bellen: Die im Nationalrat befindlichen Parteien sollten „möglichst rasch die Vorkehrungen für die bevorstehenden Neuwahlen in die Wege leiten“.
Abschließend wandte sich die neue Kanzlerin an die „Jugend“ und dabei vor allem an die „jungen Frauen“: „Unser Land, unsere Demokratie braucht sie“, beteuerte sie - „Ihre gestalterische Kraft und ihren Glauben an Österreich“. Dieses Engagement sei „unersetzlich“.
Interviews "nur mit Fachjournalisten", keine neuen Gesetzesinitiativen: Brigitte Bierlein gibt ihrem Kabinett "Grundregeln für die Zusammenarbeit“ vor.
Das Kabinett von Kanzlerin Bierlein hat einen Bericht über die Arbeitsmarktdaten abzuarbeiten und streicht Sri Lanka von der Liste sicherer Herkunftsländer.
Sechs Frauen und sechs Männer sollen bis zum Neuwahltermin im Herbst die Geschicke des Landes leiten. Bundespräsident Van der Bellen gibt ihnen dabei drei Dinge zu bedenken.
"Tolles frauenpolitisches Signal“, Sorge vor „wehrpolitischen Giftküche": Parteien, Kirche und Milizverband kommentieren das neue Kabinett - mal positiver, mal skeptischer.
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