Matthias Strolz hat ein TV-Format erfunden, in dem er persönliche, tiefgehende und auch peinliche Fragen stellt.
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Natürlich gibt es in der Sendung von Matthias Strolz peinliche Momente. Als peinlich gilt allgemein ja beinahe alles, was der Konformität einer gewissen Gruppe widerspricht. Sagen wir etwa Nonnen. Oder Fernsehzuschauern. Und Konformität ist nun gerade nicht die Sache von Matthias Strolz. Nach sieben Jahren in der Spitzenpolitik und einer längeren Auszeit ist er nun auf Puls 4 zu sehen – mit seinem (ersten, so wird betont) selbst konzipierten TV-Format. Darin stellt er persönliche, tief gehende, schräge und oder auch platte Fragen. Am Dienstagabend stand diese im Zentrum: „Why the hell wird man Klosterschwester?“
Dieses Warum will er in "Strolz trifft Nonne" klären, zu diesem Zweck fährt er ins Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern nach Zams in Tirol. Zwei Tage heftet er sich an die Fersen der (sehr geduldigen) Schwester Barbara, kocht mit ihr Tee, singt mit ihr, spricht mit ihr. Ob es eine Nonne in Österreich gibt, die aufgeklärter und offener ist als diese? Kaum vorstellbar. Sie fragt und erklärt klug - ob sie sie nun mit zwei stark geschminkten Männern mit BHs am Kopf abends durch die Straßen Innbrucks zieht (Strolz hat sich das als Herausforderung ausgedacht) oder durch den Klosterfriedhof spaziert. Was für eine Werbung für die Kirche.
Es kommen auch andere zu Wort, ein Pfarrer etwa oder Strolz‘ Tante. Und spätestens hier wird dem Zuschauer klar, warum die „Why the hell“-Frage so drängend ist. Die Tante grämt sich noch immer darüber, dass Strolz nicht mehr in die Kirche geht. Zehn Jahre war er Ministrant, als Teenager verlor er den Glauben. Das Unterwürfige, das ständige Bitten nach Vergebung schien ihm falsch. Warum muss man dafür auf die Knie gehen, dass man so ist, wie man geschaffen wurde? Mit 18 schrieb Strolz seiner Tante, dass er nicht mehr in die Kirche gehen werde. Es tut ihr immer noch weh, die beiden haben sich offenbar nicht viel zu sagen.
Persönlich und pathetisch ("Sei Pilot deines Lebens!") ist diese Art Sendung. Von daher erinnert sie in manchen Momenten an die Gespräche, die ORF-Talkerin Barbara Stöckl führt. Strolz ist aber sprunghafter, energischer, verbindlicher. Und will offenbar keinerlei Distanz. Das verleiht den Sequenzen, in denen er, zurück in Wien, seine Erlebnisse reflektiert, ein wenig Absurdität. Am Ende der Sendung sind wir wieder in Tirol und das Kamerateam darf sogar mit in die Zumbastunde der Nonne; Strolz turnt mit. Das ist der Moment, auf den man in der rund einstündigen Sendung hätte verzichten können. Man versteht auch ohne Turnstunde: Es geht dem neuen Moderator um das Menschliche an sich, ungeschützt, ohne Panzer oder Ordenskleid.