Wie die dänischen Sozialdemokraten Rechtspopulisten durch Nachahmung entschärfen

Mette Frederiksen fra Socialdemokratiet da publicistklubben inviterer til klassikeren DAGEN DERPAA
Mette Frederiksen fra Socialdemokratiet da publicistklubben inviterer til klassikeren DAGEN DERPAAimago images / Ritzau Scanpix
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Die Arbeiterpartei gewann, weil sie in Ausländerpolitik nach rechts und in Sozialfragen nach links rückte.

Kopenhagen. Nach Schweden und Finnland haben sich auch Dänemarks Wähler mehrheitlich für eine sozialdemokratisch angeführte Links-Regierung ausgesprochen. Laut vorläufigem Endergebnis siegt die Arbeiterpartei von Spitzenkandidatin Mette Frederiksen (41) mit 25,9 Prozent. Ihr linker Block kommt zusammen auf 49,1, das bisher regierende bürgerlich-rechtspopulistischen Lager auf von Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen auf 45,9 Prozent; er kündigte seinen Rücktritt an.

Die Sozialdemokraten erzielten ungefähr gleich viele Stimmen wie bei der letzten Parlamentswahl. Frederiksen gelang es jedoch, einen Abwärtstrend zu stoppen, und zwar durch einen für die dänische und auch europäische Parteienlandschaft ungewöhnlichen Strategiewechsel. Sie entschärfte die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) durch Nachahmung. Die Rechnung ging auf.

Der DF-Stimmenanteil halbierte sich im Vergleich zur letzten Parlamentswahl auf knapp zehn Prozent. Das ist ein Absturz für die erfolgsverwöhnte Rechtsaußenpartei, die noch bei den EU-Wahlen 2014 mit rund 26 Prozent stärkste Kraft Dänemarks gewesen war. Seit zwei Jahrzehnten dienen die Rechtspopulisten als Mehrheitsbeschaffer für das bürgerliche Lager. Mit ihrer harten Ausländerpolitik und einer Sozialpolitik, die links von den Sozialdemokraten angesiedelt war, konnten die Rechtspopulisten immer mehr Stimmen von der Arbeiterpartei abzweigen und dem Rechtsblock ein Dauerabo auf die Macht sichern.

Die Sozialdemokraten verloren in früheren Jahren die meisten dänischen Wahlen, weil Bürger durch den linken Block Lockerungen in der Ausländerpolitik befürchteten. Solche Sorgen hat Frederiksen aber zerstreut, indem sie die Ausländerpolitik der Rechten nachahmt. Gleichzeitig rückte sie sozialpolitisch nach links.

Gern trat die Genossin mit dem Chef der Rechtspopulisten, Kristian Thulesen Dahl (49), auf und betonte die Gemeinsamkeiten beider Parteien. Dahl machte den Fehler, dass er die Sozialdemokraten gar für deren neuen Ausländerkurs lobte. Die Sozialdemokraten hatten für ein Gesetz gestimmt, welches es der Polizei erlaubt, ankommenden Kriegsflüchtlingen Schmuck wegzunehmen. Frederiksen will „nicht-westliche“ und „westliche“ Ausländer unterschiedlich behandeln sowie Asyllager in Afrika errichten. Den Islam betrachtet sie als „eine Integrationsbarriere“. Frederiksen war klar, dass sie mit ihrer Haltung Stimmen linker Sozialdemokraten verlieren würde. Diese haben aber stattdessen andere Parteien des Linken Blocks gewählt. Sowohl Sozialliberale, Sozialisten und Grüne legten deutlich zu, während die Sozialdemokraten Stimmen von den Rechtspopulisten zurückgewannen.

Schwierige Regierungsbildung

Um nicht von den anderen Linksparteien in der Ausländerpolitik weich gekocht zu werden, versprach Frederiksen den Wählern, eine Minderheitsregierung zu bilden, statt mit den anderen Linksparteien zu koalieren. In Ausländerfragen will die Sozialdemokratin mit den Rechtspopulisten zusammenzuarbeiten. Ob sie diesen Spagat nun hinbekommt, ist eine andere Frage, denn die meisten anderen Parteien des linken Blocks sind gegen den Rechtsruck in Ausländerfragen. Vorsorglich hat der abtretende bürgerliche Ministerpräsident Rasmussen eine große Koalition angeboten. Frederiksen hat das zunächst abgelehnt. Die Regierungsverhandlungen dürften schwierig werden.

Das einst tolerante, wirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch (es herrscht Quasi-Vollbeschäftigung) sehr erfolgreiche Dänemark hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert. Die Stimmung hat sich gegen Ausländer gedreht. Umfragen zeigen, dass sich erstaunlich viele Einwanderer nicht mehr wohlfühlen.

Dänemark steht nun vor einer politischen Zäsur: Der Links- und Rechtsblock könnten sich zugunsten sehr ungewöhnlicher Allianzen auflösen.

Die Presse/GK

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2019)

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