Bremen: Ein bisschen Hoffnung für die deutsche SPD

Bürgermeister Carsten Sieling.
Bürgermeister Carsten Sieling.(c) REUTERS (Fabian Bimmer)
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Im kleinsten Bundesland kündigt sich eine Linksregierung statt „Jamaika“ an. Das wird auch in der Hauptstadt registriert.

Bremen. Aus dem hohen Norden der Republik, aus der Hansestadt Bremen, hat die leidgeprüften deutschen Sozialdemokraten am Donnerstag die erste gute Nachricht seit Langem erreicht. Denn die SPD hat in Bremen zwar Platz eins verloren, aber wohl nicht die Macht. Grüne und Linkspartei votierten für Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten. Eine rot-grün-rote Regierung für Bremen: Es wäre ein Lichtblick für die SPD zu finsterer Stunde.

Wie berichtet, hatten die Sozialdemokraten im ärmsten und kleinsten Bundesland (680.000 Einwohner) zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte Platz eins an die CDU abgeben müssen – 24,9 zu 26,7 Prozent. Es war eine historische Schmach im roten Stammland, die wohl auch zum Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles beigetragen haben dürfte.

Die Grünen sind immer sehr flexibel

Für das bisherige rot-grüne Bündnis unter Bürgermeister Carsten Sieling gibt es in Bremen nun keine Mehrheit mehr. Eine Große Koalition kommt nicht infrage. Ein Dreierbündnis muss her. Und die Grünen hatten die Qual der Wahl. Die Partei ist inzwischen bekannt für ihr hohes Maß an Flexibilität, was Koalitionen angeht. Man regiert in den Bundesländern in allerlei Variationen und mit allen Parteien außer der AfD. In Bremen sondierten die Grünen auch die Option eines Jamaika-Bündnisses mit dem Wahlsieger CDU und FDP. Mit den Christdemokraten harmonierte man dem Vernehmen nach schnell, zwischen Grünen und Liberalen hakte es jedoch. So hält die FDP nichts von der grünen Vision einer autofreien Innenstadt bis 2030. Und so bleibt es dabei, dass aktuell nur ein Bundesland, Schleswig-Holstein, karibisch regiert wird. Auf Bundesebene war „Jamaika“ nach der Wahl 2017 zwar sondiert worden, allerdings erfolglos. Zuletzt beendeten die Grünen Spekulationen über einen fliegenden Wechsel in eine „Jamaika“–Koalition, falls die SPD die Große Koalition sprengen sollte. Die grünen Umfragekaiser möchten dann Neuwahlen.

Nach dem nächsten Urnengang, wann auch immer er stattfindet, gilt ein solches Jamaika-Bündnis aber als wahrscheinlich, falls es für Schwarz-Grün nicht reicht. Derzeit gebe es aber eine Mehrheit für eine Koalition zwischen Union (CDU/CSU) und Grünen, wenn auch im Moment unklar ist, wer denn der Juniorpartner wäre: Union und Grüne liegen praktisch gleichauf. Der beispiellose grüne Höhenflug hat auch mit Co-Parteichef Robert Habeck zu tun, den der ZDF-Politbarometer nun als beliebtesten Politiker Deutschlands auswies, noch vor Kanzlerin Angela Merkel. Die Popularität von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat indes weiter gelitten. Sie landete noch hinter Jens Spahn, ihrem alten Rivalen, den sie im Kampf um den CDU-Vorsitz noch haushoch besiegt hatte.

Dass die Bremer Grünen für Verhandlungen über Rot-Grün-Rot statt für „Jamaika“ votierten, hat man in Berlin übrigens registriert. Noch gibt es in den bundesweiten Umfragen aber weit und breit keine Mehrheit für grün-rot-rot. Die sich anbahnende Regierung in Bremen wäre übrigens eine Zäsur: Zum ersten Mal käme die Linkspartei in einem westdeutschen Bundesland in Regierungsverantwortung, wenn auch im kleinsten und als kleinster Partner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2019)

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