Selten sah man ein Regierungsmitglied mit weniger Mitteilungsbedürfnis. In ihrem ersten Interview zeigte Kanzlerin Brigitte Bierlein, dass sie kurze Sätze mag. Rhetoriktrainer könnten von ihr noch etwas lernen.
Kleine Informationshappen. Das war es, was Österreichs neue Kanzlerin Brigitte Bierlein (niemals Mitglied einer Partei) am Donnerstagabend in der "ZiB 2" gab. Man hörte auch wenig Überraschendes: Bierlein erzählte kurz von der Entscheidung für das Amt ("eine außergewöhnliche Situation"), von der Zusammensetzung der Regierung ("ein hervorragendes Gesprächsklima") und ihrer politische Punzierung ("eher konservativ, aber nicht einordenbar").
ORF-Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher brachte wohl noch nie in einem Interview so viele Fragen unter: Die Kanzlerin, so zeigte sich schnell, ist dem kurzen Satze zugetan. Man ist sie nicht gewöhnt, diese Nicht-Freude an der Darstellung. Genauso wenig wie die klare Absage an so manche Frage: "Ich bitte um Verständnis, das nicht beantworten zu können oder wollen," sagte sie etwa dazu, wen Österreich in die EU-Kommission entsenden wird.
Ein Tipp an alle Rhetoriktrainer in der politischen Arena: Das ist, wenn berechtigt, eine sehr viel bessere Reaktion als das in Profikreisen exzessiv verwendete freie Assoziieren à la "Tun wir einfach so, als sei etwas völlig anderes gefragt“. Freilich muss Bierlein nicht für ihre Ideen werben. Ob sie welche hätte, werden wir von ihr wohl auch nicht erfahren. In der "ZiB 2" stellte sie klar, dass die Regierung von sich aus "nur unabdingbare Gesetze auf den Weg bringen" will.
Über die aktuelle Antragsflut im Nationalrat war Bierlein jedenfalls erstaunt. "Natürlich war ich etwas überrascht über die Vielzahl von Entschließungsanträgen und Beschlussfassungen, aber das ist lebendige Demokratie“, sagte sie, ganz personifizierte Sachlichkeit. Auf die Frage, ob die Überraschung positiv oder negativ war, replizierte sie: "Ich war überrascht."
Und auch beim letzten Punkt, zu dem man wirklich gerne mehr gehört hätte, blieb sie in aller Kürze. Lou Lorenz-Dittlbacher fragte, ob das Politikerinnendasein so sei, wie Bierlein es sich vorgestellt habe. Die Antwort, die das Interview noch einmal in vier Wörtern zusammenfasst: "Ich bin keine Politikerin."