Die Deutsche dürfte nur eine knappe Mehrheit im Europaparlament erhalten. Ob das die Schlagkraft ihrer Kommission mindert, wird sich weisen.
Brüssel/Wien. Ursula von der Leyens letzte Stunden vor jenem Dienstag, an dem sich ihr politisches Schicksal weisen wird, waren eng durchgeplant. Die erst vor zwei Wochen unerwartet für das Amt der Kommissionspräsidentin Nominierte musste rasch politische Leitlinien für ihre mögliche fünfjährige Amtszeit als Vorsitzende der Brüsseler Behörde formulieren. Am Montag traf die deutsche Verteidigungsministerin in Straßburg ihre eigene Fraktion, die Europäische Volkspartei (EVP). Mit ihrer Rede muss sie vor der Abstimmung Dienstagabend zumindest 374 Europaabgeordnete von ihrer Kandidatur überzeugen.
Diese absolute Mehrheit dürfte von der Leyen, sofern nicht eine offene Revolte gegen sie bei den Sozialdemokraten und den Liberalen ausbricht, sicher haben. Doch eine überwältigende Mehrheit wird ihr verwehrt bleiben. Allein der Umstand, dass in ihrer Parteifamilie darüber spekuliert wird, ob sie die Schwelle von 400 Stimmen erreichen wird, veranschaulicht, auf welch dünnem Eis diese Kandidatur steht. Von jener wirklich klaren 500-plus-Mehrheit der vier proeuropäischen Fraktionen (zu den genannten kämen noch die Grünen hinzu), die zahlreiche europäische Diplomaten wichtiger Mitgliedstaaten schon vor Monaten in Gesprächen mit der „Presse“ für unverzichtbar erklärt haben, spricht heute niemand mehr.