Zu den von der Opposition geforderten Neuwahlen äußert sich Ministerpräsident Abhisit nicht. Die Proteste haben katastrophale Folgen für die thailändische Wirtschaft.
Zwei Tage nach dem gewaltsamen Ende der Straßenkämpfe in Bangkok hat Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva die Ordnung für wiederhergestellt erklärt und sein Land zur Versöhnung aufgerufen. Am Freitag traten erstmals die katastrophalen Folgen der monatelangen Proteste für Tourismus und Wirtschaft zutage. Menschenrechtler äußerten sich besorgt über das Schicksal der in Thailand inhaftierten Anführer der Oppositionellen.
Abhisit: "Sitzen alle im gleichen Boot"
"Wir haben die Ordnung in Bangkok und den Provinzen wieder hergestellt", sagte Abhisit in einer TV-Ansprache. Nun werde alles dafür getan, um schnell zur Normalität zurückzukehren. An die tief gespaltene Nation appellierte er, an dem "Versöhnungsprozess" teilzunehmen. "Wir sitzen alle im gleichen Boot", sagte er an die Adresse der roten Regierungsgegner und der verfeindeten elitetreuen Monarchieanhänger. Die Spaltung im Land sei nun eine der größten Herausforderungen, die es zu überwinden gelte. Zu den von der Opposition geforderten Neuwahlen äußert er sich nicht.
Der Protest der "Rothemden" hat in Thailands Hauptstadt Bangkok im Chaos geendet. Die Streitkräfte stürmten Mittwoch das Gebiet in der Innenstadt, wo sich Tausende Regierungsgegner verbarrikadiert hatten. (c) EPA
Die Anführer der Protestbewegung ergaben sich. Militante Rothemden lieferten sich aber wilde Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften und zündeten Gebäude an. (c) AP
Über ein Dutzend Gebäude, darunter die Börse, mehrere Banken, der Hauptsitz der Städtischen Stromversorgung, ein TV-Sender und eine Luxus-Einkaufsmeile wurden in Brand gesteckt.(Im Bild: Central World Shoping Mall) (c) Reuters
Mindestens fünfzehn Menschen wurden getötet, 60 verletzt. (c) Reuters
In einem Tempel wurden neun Leichen gefunden. Zahlreiche Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder, waren während der Kämpfe in Tempel geflüchtet. (c) AP
Die Regierung verhängte für die Nacht eine Ausgangssperre über Bangkok. Sie soll auch in den folgenden Nächten gelten. (c) Reuters
Auch am Donnerstag blieb die Lage gefährlich. Randalierende Demonstranten legten wieder Brände, es gab erneut Schießereien. (c) EPA
Das Auswärtige Amt rät dringend von Reisen nach Bangkok ab. (c) AP
Am Freitag patroullierten noch immer Hunderte von Soldaten durch die Metropole. An mit Stacheldraht gesicherten Straßensperren durchsuchten sie Fahrzeuge nach Waffen. Das verlassene Lager der Demonstranten durchkämmten sie ebenfalls nach Waffen sowie nach Sprengstoff. (c) REUTERS (FAYAZ KABLI)
Unterdessen begannen die Aufräumarbeiten im noblen Geschäftsviertel der Stadt. Die Zentralbank erlaubte einigen Geschäftsbanken zu öffnen. Bürger hatten gegen die staatlich angeordnete Schließung für zwei Tage protestiert. (c) AP (Manish Swarup)
Die Rothemden sind Anhänger des 2006 gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra. Sie kommen vor allem aus den ärmeren Bevölkerungsschichten. (c) EPA (AHMAD YUSNI)
Bangkok in Flammen
Neun Leichen in Einkaufszentrum
Unterdessen wurden in Bangkok in dem in Brand gesteckten Einkaufszentrum Central World zehn Leichen gefunden. Das mehrstöckige Gebäude hatten frustrierte Demonstranten nach der Militäroffensive gegen die Regierungsgegner am Mittwoch angezündet. Es brannte völlig aus und stürzte teilweise ein. Die Feuerwehr machte keine Angaben, wie die Menschen ums Leben gekommen waren. Eine Leiche wurde nach Angaben der Polizei am Morgen im 4. Stock des Gebäudes gefunden. Neun Leichen wurden im Untergeschoß entdeckt. Vor dem Leichenfund hatten die Behörden die Zahl der Todesopfer der Unruhen innerhalb der vergangenen Woche mit 52 angegeben.
Katastrophale Folgen für Wirtschaft
Bei den Aufräumarbeiten in Bangkok zeigten sich unterdessen die katastrophalen Folgen der langen Proteste. Allein die Brände an Gebäuden in Bangkok, darunter der Börse, richteten einen Schaden von umgerechnet knapp einer Milliarde Euro an. Finanzminister Korn Chatikawanij sagte in Tokio, die Bilder aus Thailand hätten "katastrophale Folgen" für den Tourismus, der rund sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Auch werde es künftig schwierig, Investoren zu finden. Ein Sprecher der Außenhandelskammer sagte AFP: "Sich einen Ruf aufzubauen, dauert lange - um ihn zu zerstören, reicht eine Nacht."
Wer sind die Rothemden, wogegen protestieren sie, wer sind ihre Gegner und wie sind frühere Proteste verlaufen? Fragen und Antworten zur thailändischen Protestbewegung. (c) EPA (AHMAD YUSNI)
Die sogenannten Rothemden sind zum großen Teil Anhänger des 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Die Demonstranten werden angeführt von der Vereinigten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD), die ihre Anhänger vor allem unter der ärmeren Landbevölkerung hat. Sie ist nicht im Parlament vertreten und hält die Verbindung zu Thaksin, der im Exil lebt. Zwar unterstützen nicht alle Rothemden uneingeschränkt den Kurs des ehemaligen Ministerpräsidenten. Der Unmut über den Putsch des Militärs gegen Thaksin 2006 aber eint die Demonstranten. (c) REUTERS (JERRY LAMPEN)
Die Gruppe hat eigene TV-Kanäle, Magazine, Internetseiten, Radiostationen und Musikalben. Die Demonstranten organisierten in der Vergangenheit füreinander unter anderem Massagen, Krankenstationen, Duschen und Kantinen. Neben rund 1000 Sicherheitskräften für Proteste unterhalten die Rothemden eine paramilitärische Einheit. Bei einigen gewaltsamen Protesten waren schwarz gekleidete Personen mit Schusswaffen zu sehen. Die UDD weiß nach eigenen Angaben nicht, wer dahintersteckt. (c) AP (Manish Swarup)
Als ihre Ziele bezeichnen die Rothemden mehr Demokratie und einen geringeren Einfluss der städtischen Elite, zu der sie Vertraute des Königshauses, einflussreiche Geschäftsleute, Generäle und Angehörige des Justizapparats zählen. Die Demonstranten werfen diesen Gruppen Amtsmissbrauch und Verschwörung zum Sturz gewählter Regierungen vor. (c) EPA (RUNGROJ YONGRIT)
Die UDD hält auch die derzeitige Regierung für illegal, weil diese nicht gewählt, sondern vom Militär in einem "stillen Staatsstreich" im Dezember 2008 eingesetzt worden sei. Die UDD verlangt Neuwahlen und setzt auf einen Sieg der Puea Thai Partei (PTP), die Thaksin nahesteht (c) EPA (BARBARA WALTON)
Die Rothemden sind eine gut organisierte und kraftvolle außerparlamentarische Opposition. Die regelmäßigen Proteste, die besonders in den Hochburgen im Norden und Nordosten des Landes stattfinden, ziehen Zehntausende an - manchmal über Wochen. Viele der Veranstaltungen verliefen friedlich. Die UDD hat aber auch den Ruf, zur Gewalt zu neigen. Bei den seit neun Wochen anhaltenden Demonstrationen wurden bisher rund 70 Menschen getötet. (c) EPA (NARONG SANGNAK)
Im April 2009 blockierten die Rothemden den Amtssitz des Ministerpräsidenten sowie wichtige Verkehrsknotenpunkte in der Hauptstadt Bangkok. Zudem stürmten sie einen Gipfel der ASEAN-Staaten in Pattaya. Hunderte Menschen lieferten sich in Bangkok stundenlange Straßenschlachten mit der Armee. Die UDD beschuldigte die Regierung, Unruhestifter engagiert zu haben, um die Stimmung anzuheizen. (c) EPA (NARONG SANGNAK)
Die Regierungsanhänger haben sich in der außerparlamentarischen Bewegung PAD organisiert. In Abgrenzung zu den Rothemden und als Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem Königshaus tragen sie gelbe Hemden. Sie unterstützen im Parlament die regierende konservative Demokratische Partei (DP), die ihre Mitglieder vor allem aus Beamten, Intellektuellen und Militärangehörigen rekrutiert. (c) REUTERS (JERRY LAMPEN)
Die Gelbhemden sind besonders stark in der Millionenmetropole Bangkok vertreten. Sie haben Ende 2008 wochenlang Bangkoks internationale Flughäfen blockiert und damit zum Sturz einer Regierung von Thaksin-Anhängern beigetragen. (c) REUTERS (ERIC GAILLARD)
Fragen und Antworten
Sorge über inhaftierte Rothemden
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zeigte sich besorgt über das Schicksal der inhaftierten Anführer der Rothemden. Die acht Chefs, die sich jüngst den Behörden stellten, würden an unbekannten Orten festgehalten. Es sei zu befürchten, dass sie und weitere festgenommene Demonstranten Misshandlungen ausgesetzt seien. Die Betroffenen müssten unverzüglich offiziell angeklagt oder wieder auf freien Fuß gesetzt werden, forderte HRW.
Mindestens 86 Menschen getötet
Die Rothemden hatten seit Mitte März erbittert gegen die Regierung protestiert und Neuwahlen gefordert. In Bangkok hielten sie über Wochen ein Geschäftsviertel besetzt, das die thailändische Armee am Mittwoch schließlich stürmte. Die Anführer der Rothemden ergaben sich daraufhin, viele wütende Regierungsgegner steckten jedoch Gebäude in Brand. Seit Beginn der Proteste wurden 86 Menschen getötet und rund 1900 verletzt. Noch bis Sonntag gilt in Bangkok und 23 weiteren Provinzen eine Ausgangssperre.
Hintergrund
Die protestierenden Rothemden sind Anhänger des 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Sie werden angeführt von der Vereinigten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD), die ihre Anhänger vor allem unter der ärmeren Landbevölkerung hat.
Sie halten die derzeitige Regierung für illegal, da diese nicht gewählt, sondern vom Militär in einem "stillen Staatsstreich" im Dezember 2008 eingesetzt worden sei. Nach der Auflösung der Thaksin-nahen Regierungspartei durch ein Verfassungsgericht bestimmte das Parlament Abhisit Vejjajiva zum Premier.
Als Abhisit einen Wahltermin für den 14. November in Aussicht stellte, schien eine Einigung in Reichweite - die aber scheiterte, weil die Rothemden verlangten, dass Vizepremier Suthep Thaugsuban wegen der Zusammenstöße vom 10. April angeklagt werde.
Thailands Ex-Premier Thaksin Shinawatra besitzt viele Pässe: darunter den seiner Wahlheimat Montenegro. Von seiner Einbürgerung erhoffte sich Montenegros Regierung Investitionen.
Maßlose Zerstörung im Zentrum der Metropole. Die Ursachen für den Konflikt sind hoch komplex. Eine große Rolle spielt die Schere zwischen Arm und Reich.
Andreas Valla lebt seit drei Monaten im Norden Thailands. Am Freitag muss der gebürtige Wiener nach Bangkok. Touristen würde er im Moment davon abraten.
Gespannte Ruhe in Bangkok. Die Regierung verlängert die Ausgangssperre. Im Protestviertel hat die Armee noch immer nicht die volle Kontrolle. Die Regierung stellt Neuwahlen in Aussicht.
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