Das historische Stadtzentrum von Lissabon hat seit 2015 rund 50 Prozent seiner Bewohner verloren. Wie lebt es sich in einem Viertel, in dem es fast mehr Touristen als Einheimische gibt?
Es ist still hier, und Fabiana Pavel sagt kein Wort. Schweigend wandert sie durch die Straßen des Bairro Alto. Die Oberstadt, Lissabons berühmtestes Fortgehviertel, ist vom katastrophalen Erdbeben 1755 weitgehend verschont geblieben. Dicht stehen hier die Häuser in den engen Gassen, das Kopfsteinpflaster erinnert an das Leben in der Stadt, bevor zuerst die bebende Erde, dann Feuer und ein Tsunami fast ganz Lissabon in Schutt und Asche legten. Die Häuser sind schmal und alt, ein Grund, warum das Bairro Alto in den 1990ern von alten Menschen, aber auch jungen Kreativen und Studenten bewohnt wurde. Damals war auch die Kriminalität höher. Die Lissabonner Mittelschicht zog lieber in die neu gebauten Häuser in der Peripherie. Deswegen ist Lissabon mit seinen umliegenden Gemeinden wie Oeiras, Loures, Odivelas schon längst zur Metropolregion Lissabon zusammengewachsen.
Doch verlassen war das Bairro Alto nie, und unbeliebt ist es schon längst nicht mehr. Seit Jahren zählt es zu den beliebtesten Ausgehvierteln der Stadt. Abends, wenn sich der Stau in den verstopften Straßen der Stadt langsam auflöst, wenn die Sonne über dem Tejo untergegangen ist und so etwas wie ein bisschen Ruhe in die von Kopftsteinpflaster gesäumten Straßen kommt, dann hat das Bairro Alto seinen großen Auftritt. Hunderte Portugiesen stehen dann mit einem Bier in der Hand vor den kleinen Kneipen, man trifft sich hier mit Freunden, um gemeinsam etwas zu essen, Fado zu hören und den Abend unter Gleichgesinnten zu beginnen. Zumindest war es früher so.