Nicht jeder Lissabonner, der seine Wohnung verlassen soll, kann es sich leisten, kampflos aufzugeben. NGOs versuchen Betroffenen zu helfen und eine Bürgerbewegung zu starten. Einfach ist das nicht.
Schlussendlich sind sie zahlreich gekommen. Schulter an Schulter stehen sie im kleinen Erdgeschoßladen in der Rua Tomás da Anunciação 3B im Stadtteil Campo de Ourique im Herzen von Lissabon. Ein Haus mit vier Stockwerken in einem Wohnviertel, in dem Autos dicht hintereinander parken. Eine Gruppe an Journalisten aus Fernsehen, Radio und Zeitung drängt in die kleine Papelaria Eduardo dos Livros und umringt die linke Politikerin Catarina Soares Martins, Vorstandsvorsitzende der in Portugal mitregierenden Minderheitenpartei Bloco de Esquerda (Linksblock). „Wir versuchen nun einen Antrag für ein historisches Geschäft zu stellen, das könnte den Fall retten“, sagt sie mit ernster Miene. Die eigentliche Hauptdarstellerin steht etwas abseits hinter ihrem Verkaufstresen: Dona Helena Pereira, Besitzerin des kleinen Zeitschriftenladens, der seit 55 Jahren existiert. Sie ist an diesem Samstag jüngstes Opfer der Wohnungs- und Mietkrise in Lissabon. Dona Helena Pereiras Mietvertrag wurde nicht verlängert, sie soll ihren Laden schließen. Der offizielle Termin ihres Rauswurfes ist mit dem nächsten Tag markiert. Doch Helena Pereira weigert sich. „Das hier ist mein Leben. Ich bleibe“, sagt sie resolut zur „Presse“. Und sie meint es auch so.
Alle Mietverträge gekündigt
Helena Pereiras Kampf ist einer von vielen, der dieser Tage in Lissabon geführt wird. Und er steht stellvertretend für Tausende in der Stadt. Das Haus ihrer Papelaria wurde von einer ehemals staatlichen Versicherungsfirma gemeinsam mit rund 280 anderer Wohnhäuser an einen amerikanischen Fonds verkauft. Das sorgte für große Diskussionen in Portugal. Denn bei den Mietern wurden daraufhin die Mietverträge gekündigt bzw. nicht mehr verlängert, erzählt Maria J. Sie wohnt über der Papelaria. Sechs Parteien seien schon ausgezogen. Die 68-Jährige selbst wohnt noch im Haus. Sie hat ob ihres Alters eine Kündigungsfrist bis Ende März 2021 bekommen.