Drei Rekorde, drei Varianten für eine Zweierkoalition. So lautet die Ausgangslage nach der Nationalratswahl. Während ÖVP-Chef Kurz zur Besonnenheit mahnt, gibt sich der grüne Spitzenkandidat Kogler skeptisch.
Eine Wahl, drei Rekordergebnisse. Der Urnengang am Sonntag bescherte der ÖVP unter Sebastian Kurz nicht nur den Sieg, sondern auch einen nie dagewesenen Vorsprung auf die zweitplatzierte SPÖ. Nie zuvor erzielten die Sozialdemokraten bei einer bundesweiten Wahl ein derart niedriges Ergebnis. Und nie zuvor gelang einer Partei ein derart deutliches Comeback wie den Grünen, die nach ihren desaströsen 3,8 Prozent bei der Nationalratswahl 2017 nun ihr historisch bestes Ergebnis holten.
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Freilich: Die Wahlkarten sind noch nicht ausgezählt. Und diese werden, davon gehen Meinungsforscher aus, noch das eine oder andere Mandat verschieben (womöglich von der ÖVP zu den Grünen, vielleicht auch von der FPÖ zu den Neos). Aber: Dass die Grünen hinter ihr bis dato bestes Ergebnis von 2013 mit 12,42 Prozent zurückfallen, ist mathematisch nicht mehr möglich. Auch deshalb, weil die Grünen traditionell Profiteure der Briefwahl sind.
Doch wie geht es nach dem Dreifachrekord nun weiter? Für Sebastian Kurz stehen aus mathematischer Sicht drei Kandidaten für eine Zweierkoalition parat: die SPÖ, die FPÖ und die Grünen. Allerdings: Einzig die Grünen erzielten ein Plus. Die Freiheitlichen kündigten noch am Wahlabend an, sich nun auf die Oppositionsbank vorbereiten und die in den vergangenen Tagen aufgekommene Spesenaffäre rund um ihren ehemaligen Parteiobmann Heinz-Christian Strache aufarbeiten zu wollen - Stabilität sieht anders aus.
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In den Reihen der Sozialdemokraten war am Sonntag ebenfalls zu hören, dass die Neuwahl zu plötzlich über die Partei hereingebrochen sei und man gerne mehr Zeit gehabt hätte, sich aufzustellen - Zeit, die man sich nun nehmen wolle. Hinzu kommt: Das Verhältnis von Kurz und der SPÖ-Bundesparteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner gilt nicht als das beste.
Bleiben die Grünen. Doch auch hier gibt es ein Aber. Denn. Der Ton zwischen Sebastian Kurz und Werner Kogler war im Wahlkampf kein freundlicher. Ein Punkt, den der Ex-Kanzler mehrfach ansprach, als er am Wahlabend und auch im Interview mit dem Ö1-„Morgenjournal“ am Montag davon sprach, dass er sich einen respektvolleren Umgang zum Wohle Österreichs wünsche. Er werde mit allen Parteien sprechen. Kogler, der ebenfalls vor das Mikrofon gebeten wurde, betonte zwar ebenfalls den Willen zu reden, gab sich aber weit weniger zahm.
Kogler: „Lust, die Begriffe zurückzuspulen“
„Ich würde jetzt einmal eine gewisse Lust verspüren, die Begriffe zurückzuspulen“, meinte Kogler im ORF-Interview. Konkret: „Was war eigentlich so ordentlich an der Mitte-Rechts-Politik?", fragte er in Anspielung an jene Linie, die Kurz nach eigenem Bekunden fortsetzen möchte. Ihm, Kogler, sei es jedenfalls „sehr ernst mit einer Umorientierung, was die Bekämpfung der Kinderarmut betrifft“, kritisierte er einmal mehr die unter Türkis-Blau beschlossene Reform der Mindestsicherung. Ob er deren völlige Rücknahme fordere? „Naja, nicht nur“, meinte der grüne Bundesparteisprecher dazu, um dann abzuschwächen: „Auch nicht im Ganzen vielleicht, es gibt ja vielleicht auch andere Möglichkeiten der Verbesserung.“
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Aber: „Nur so, dass wir in eine derartige Schieflage kommen, dass die Familienförderung und die Kinderförderung so ausschaut - je mehr Einkommen, je mehr Vermögen, desto mehr werden die gefördert als die, die weniger haben - das hat nichts mit einer christlichen Tradition (in der die ÖVP bekanntlich stehe, Anm.) zu tun und auch nicht mit den Gerechtigkeitsvorstellungen der Grünen“, führte Kogler aus.
Er plädiere daher für „vernünftige Gespräche“ und dazu, das Wort Sondierungsgespräche ernst zu nehmen. Konkret: „Wir werden aktiv Gespräche suchen.“ Nachsatz: „Allerdings wird das nur dazu dienen zu erkennen, ob es überhaupt sinnvoll ist, ernsthaftere Verhandlungen einzuleiten.“
Gremien sind am Zug
Bevor Kurz und Kogler allerdings miteinander sondieren, sind die jeweiligen Parteigremien - SPÖ, Neos und Liste Jetzt tagen heute, die Gremien der ÖVP, der Grünen und der FPÖ am Dienstag - und Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug. Letzterer wird morgen die amtierende Beamtenregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein bitte, nicht zurückzutreten, sondern die Amtsgeschäfte bis zur Angelobung der neuen Regierung fortzuführen.
Nach der Auszählung aller Briefwahl- und Wahlkartenstimmen und nach Gesprächen mit allen Parteichefs, will Van der Bellen dann den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen - naturgemäß erhält diesen die stimmenstärkste Gruppierung.
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Mitreden
Soll es eine türkis-grüne Koalition werden, vielleicht mit Neos-Beteiligung? „Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak meint: „Traut Euch doch!“ Und was meinen Sie?