Lotte Tobisch war Künstlerin, kritische Zeitzeugin, bissige Kommentatorin, engagierte Helferin, eine Wiener Institution. Und ja, den Opernball hat sie auch organisiert. Ein Nachruf.
Wenn man Lotte Tobisch ärgern wollte, dann nannte man sie Societylady. Wenn schon, dann war sie eine Societylöwin. Eher aber die Löwenbändigerin, als die sie auf dem Cover eines ihrer Bücher mit einem ausgestopften Exemplar aus dem Naturhistorischen Museum posiert. Salondame war sie übrigens auch keine: Das sei „ein Fach im Theater“.
Lotte Tobisch war resolut und trocken humorvoll, selbstbewusst und schlagfertig, für Wien ungewöhnlich ehrlich und direkt. Ihren (Brief-)Freund Theodor W. Adorno hat sie lang überlebt. Erst im Juli hatte sie sich in einem Gespräch für das „Spectrum“ der „Presse“ zu dessen 50. Todestag an ihn zurückerinnert. Begonnen hatte ihr Austausch mit ihm 1962, als Burgtheaterdirektor Josef Gielen sie anrief und fragte, ob sie zum Mittagessen kommen wolle, Adorno komme auch. „Ich antwortete, ich habe unlängst etwas von ihm gelesen, aber kein Wort verstanden, was mach ich mit ihm, was er mit mir?“
Opernring. Gewohnt hat sie seit 1950 am Opernring, schon das Stiegenhaus auf ihrer Etage voller Pflanzen, im Salon goldgerahmte Bilder und jede Menge Porzellan und Nippes, die nicht recht zu ihr passen wollten. „Mit Liebe gegebene Scheußlichkeiten“, die sie in Ehren hielt.
Lotte Tobisch war, wie sie selbst sagte, ein „schlimmes Kind aus gutem Haus“. Heute möchte man sie korrigieren: Sie war eine Dame – und ein cooles Haus. Geboren 1926 als Tochter des Architekten Karl Tobisch-Labotýn, war sie in einem goldenen Käfig in einer Patchwork-Konstellation aufgewachsen. Das „Sacré Coeur“ legte man ihr nahe zu verlassen. „Damals hat man noch mit Feder und Tinte geschrieben, und ich habe Tintenpatzer gemacht. Die Mère Supérieure hat gesagt: Wenn Jesus dieses Heft sehen würde, dann würde er sich kränken. Und ich habe gesagt, da war ich knapp acht: Dann kann man auch nichts machen.“