Warum H.-C. Strache über eine politische Auferstehung nachdenkt und ihn manche seiner Fans wieder wählen würden.
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Heinz-Christian Strache hat den Ruf, Populist zu sein. Sein Populismus wurzelt in der „Allwissenheit“ des Gesuders an Stammtischen und Würstelbuden einerseits und in den „Gerüchten“ und „Weisheiten“, die hinter vorgehaltener Hand in besserer Gesellschaft kursieren. Das Erfolgsgeheimnis des Populismus ist, diese Meinungsexkremente zu erfassen, zu recyceln und als der Weisheit letzter Schluss potenziellen Wählern zu servieren.
Für einen erfolgreichen Populismus genügt es nicht, die Erfüllung allfälliger Wünsche in Aussicht zu stellen. Es müssen auch die Durchführung und die Argumentationen den Vorstellungen und Undenkbarkeiten, kurzum der Meinung der Zielgruppen, entsprechen. Jeder und Strache erst recht weiß, dass in einer Demokratie alle Stimmen gleich sind. Die Stimme einer Universitätsprofessorin zählt nicht mehr als die Stimme eines ungelernten Hilfsarbeiters oder einer Reinigungskraft. Das Wahlziel ist Stimmenmehrheit.
Populisten erkunden sehr genau, was und wie ihre Klientel „denkt“. Nebensächlich ist, ob dieses Denken gerechtfertigt, logisch, realistisch oder sonst etwas ist. Das Zielpublikum muss nicht von seinem eigenen Weltbild überzeugt werden. Die Wahltaktik geht auf, wenn die Umworbenen in den Ankündigungen und Wahlversprechen vor allem ihre eigenen Anschauungen erkennen. Die Populisten sind attraktiv, weil sie ihrer Klientel stets einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen.
Der Politpopulist stärkt in der angepeilten Wählergruppe das Gefühl, dass ihre immer schon geäußerten „einfachen“ Ansichten höchst logisch und in jeder Hinsicht richtig sind. Die Sinnhaftigkeit, die Durchführbarkeit, allfällige Widersprüche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Unsinnigkeiten existieren nicht. Indem der Populist exakt die unfehlbaren Gedanken seiner Zielgruppe und Anhängerschaft aufgreift, täuscht er Anerkennung vor. Es zählt nur das vermittelte „Ihr habt recht“. Strache ist für seine Wähler der göttliche Erlöser, der sie von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ausgrenzung und Unterdrückung befreien will.
Auch bei vielen freiheitlichen Burschenschaftern und Akademikern ist Strache vermutlich noch lang nicht passé. Für diese „intellektuelle“ FPÖ-Wählergruppe ist der Ibiza-Skandal sicher auch nicht das Problem. Das Problem sind die Medien, die den Skandal inszeniert haben und am Köcheln halten. Dank ihres Intellekts ist für diese Wählerklientel nichts einfacher, als entsprechende Verschwörungen hinter dem Ibiza-Skandal zu vermuten. Der Rücktritt von Strache wurde durch den Ibiza-Skandal verursacht. Der Aufschrei darüber war so groß, dass Strache von allen seinen Ämtern etc. zurücktrat. Ob der Ibiza-Skandal für Strache das endgültige politische Aus ist, muss sich noch weisen. Den meisten Strache-Fans ist Ibiza vermutlich ziemlich egal. Sie wollen nicht belehrt, sondern endlich auf ihre Weise erlöst werden.
Strache, der Erlöser
Der Ibiza-Skandal war Ursache für die Wahlschlappe der FPÖ. Das als Niederlage für den Populismus zu interpretieren, ist eine Wunschvorstellung. H.-C. Strache nicht wählen zu können, war sicherlich für eine erkleckliche Anzahl von Wählern und Wählerinnen der Grund, nicht wählen zu gehen. In diesem Sinn ist es für Strache nur logisch, seine Auferstehung anzudenken. Seine Wähler haben primär nicht die FPÖ, sondern ihn, Strache, ihren Versteher und unfehlbaren Erlöser, gewählt, und nichts spricht dagegen, dass sie ihn wieder wählen werden. Strache ist noch nicht und der Populismus noch lang nicht gescheitert.
Mag. pharm. Dr. phil. Edmund H. J. Berndt (* 1948) studierte Pharmazie, 1983 Fachprüfung für Apothekerberuf.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2019)