Gastkommentar

Warum Europa dringend einen EU-Klimabotschafter braucht

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Bewusstseinsbildung für den Kampf gegen den Klimawandel kann nicht nur Greta Thunberg obliegen. Die EU ist in Klimaschutz-Ambitionen zunehmend isoliert. Ein Vorschlag, das zu ändern.

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Europa war die treibende Kraft hinter dem Pariser Klimaabkommen: Ohne uns hätte es keine weltweit verbindliche Vereinbarung gegeben. Mit den USA unter Donald Trump haben wir seitdem einen zentralen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel verloren. Millionen Klimademonstranten überall in Europa aber beweisen, wie weit sich das Bewusstsein der Menschen für mehr Klimaschutz durchgesetzt hat. Wissenschaftler sind sich lange einig: Der Klimawandel muss oberste Priorität haben. Als Umweltingenieur teile ich die Einschätzung des Problems - als Parlamentarier sehe ich die Dringlichkeit zu handeln: Europa muss den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel weiterhin anführen, denn die Uhr tickt unerbittlich.

Dabei können wir den Klimawandel nicht mit leeren Versprechungen stoppen, sondern wir müssen ihm mit konkreten Maßnahmen entgegentreten. Weder ist es richtig, die Existenz des menschengemachten Klimawandels dreist zu leugnen, wie die Populisten vom Schlage der AfD es tun. Noch werden wir dem Klimawandel vor allem mit Verboten und Steuern wirkungsvoll begegnen, wie Grüne und Sozialdemokraten es fordern.

Wir Christdemokraten und Christsozialen wissen, dass konkrete Innovationen und mutiges Unternehmertum viel entscheidender sind, als das rein numerische Versprechen von Reduktionszielen. Verbote, Ziele und Quoten allein werden nie ausreichen, um dem Klimawandel entschieden zu begegnen. Was wir brauchen, ist eine radikale Transformation der Wirtschaft. Das können wir nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern erreichen. Anstatt bloß zu verbieten,sollten wir nachhaltiges Handeln im Alltag fördern, und die transformative Kraft von Innovation und marktwirtschaftlichem Wettbewerb in den Dienst von mehr Klimaschutz stellen.

Schon heute arbeiten vier Millionen Europäerinnen und Europäer im Umwelt- und Klimaschutz. Die Zahl dieser nachhaltigen Jobs hat das Potenzial, weiter, und noch viel deutlicher anzusteigen. Nur wenn wir Umweltschutz mit der gezielten Ausbildung in Umwelttechnologien und der Förderung von nachhaltigem Unternehmertum verbinden, werden wir für diese Zukunft auf dem Arbeitsmarkt gerüstet sein. Im Kampf gegen den Klimawandel liegt die große Chance, das Leben von vielen Europäerinnen und Europäern weiter zu verbessern. Denn zusätzliche Anstrengungenkönnen auch bedeuten, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden und größerer Wohlstand bei den Menschen vor Ort entsteht.  

Wir können Vorbild sein 

Innovationen sind dabei das Bindeglied zwischen Fortschritt und Nachhaltigkeit. Wir müssen unsere europäischenForschungskapazitäten noch gezielter einsetzen, indem wir in die Entwicklung von nachhaltigeren und kohlenstoffärmerenTechnologien investieren. Dazu gehört auch dieWeiterentwicklung des Verkehrssektors, einschließlich Elektromobilität und sauberen Flugzeugen.

Wenn wir auf den Rest der Welt blicken, wird klar, dass Schwellenländer zu den größten Verschmutzern gehören. Ihren wirtschaftlichen Aufstieg bremsen, das können und wollen wir nicht. Wir können aber Vorbild sein und ihnen zeigen, was wir erst selber lernen mussten: Dass echter, nachhaltiger Fortschritt bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Wohlstand und Umweltschutz herzustellen. Nur Europa ist dazu fähig, denn wir haben als erste verstanden, dass kein Land für sich allein den Klimawandel wirkungsvoll bekämpfen kann.

Europa muss seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss bündeln und seine Zusammenarbeit auf anderen Gebieten auch von der gemeinsamen Ambition beim Klimaschutz abhängig machen. Europa erzeugt weniger als 9% der globalen Emissionen, daher werden die Bemühungen Europas zur Bekämpfung des Klimawandels nur ein Tropfen sauberenWassers in einem Meer der Verschmutzung sein, wenn nicht auch die größten Emissionsverursacher unseres Planeten ihren Teil dazu beitragen. Der bisherige Verlauf der 25. Weltklimakonferenz in Madrid scheint zu bestätigen, dass unser europäischer Ehrgeiz im weltweiten Vergleich eher die Ausnahme als die Regel ist.

Deshalb schlage ich vor, einen EU-Botschafter oder eine EU-Botschafterin im Kampf gegen den Klimawandel zu ernennen. Dieser soll im Namen Europas mit Drittländern und den größten Volkswirtschaften der Welt zusammenarbeiten, um sie dazu zu bewegen, dass wir bis 2050 das Ziel von Netto-Null-Emissionen erreichen. Im globalen Verbundkönnen auf diese Weise in Zukunft sogar noch ambitioniertere Ziele definiert und umgesetzt werden. Wir haben bereits einen EU-Chefunterhändler, der sich mit den kritischen Fragen des Brexits befasst. Die Zukunft unseres Planeten ist zweifellos ein noch viel größeres Anliegen. Daher brauchen wir eine europäische Persönlichkeit, die unsere diplomatischen Bemühungen leiten und neue Partnerschaften auf der ganzen Welt aufbauen kann. Diese Person sollte in der Europäischen Kommission direkt bei der Präsidentin angesiedelt sein, vom Europäischen Rat mandatiert sein und dem Europäischen Parlament regelmäßig Bericht erstatten - so wie es bereits erfolgreich mit Michel Barnier gehandhabt wurde. Wir können unsere Schülerinnen und Schüler nicht allein stehen lassen in ihrem weltweiten Werben für effektiven Klimaschutz.

Europa ist bereits ein Vorbild, wenn es um weltweite Umweltstandards geht, aber wir können noch viel mehr erreichen, wenn alle an einem Strang ziehen. Wenn wir Europäer nicht die Führung übernehmen, dann wird niemand es tun. Europa muss sich dieser historischen Verantwortung stellen. Unsere europäische Lebensart stattet uns mit allem aus, was wir für diesen Kampf brauchen. Europa muss jetzt in den Ring steigen. Nur mit einem gemeinsamen Kraftakt werden wir unseren Kindern und Enkeln einen Planeten überlassen, der wirklich lebenswert ist.

Packen wir‘s gemeinsam an!

Der Autor

Manfred Weber MdEP (*14. Juli 1972) ist ein deutscher Politiker der CSU. Seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament. Er trat im Mai 2019 für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2019)

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