Grüne Selbstfesselung, türkise Dominanz: Die Besetzung des letzten freien Postens in der Regierung wurde zu einer höchst komplizierten Angelegenheit.
Alle Minister standen am 1. Jänner bereits fest, als Sebastian Kurz und Werner Kogler am Abend zur Verkündigung der Koalitionseinigung schritten – nur das grüne Staatssekretariat war noch unbesetzt. Und diese Geschichte erzählt sowohl etwas über das Innenleben der Grünen als auch etwas über das nunmehrige Innenleben der türkis-grünen Koalition. Es ist eine Geschichte der Selbstfesselung und der Dominanz.
Grundsätzlich hätten die Grünen gern einen Staatssekretär im Finanzministerium gehabt – und diesen Posten mit dem Kogler-Vertrauten und Finanzexperten Josef Meichenitsch , der auch in der Steuerungsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen saß, besetzt. Als Ministerin für Kunst und Kultur, eventuell auch für Frauen, war lange Eva Blimlinger gehandelt worden. Die Agenden Kunst, Kultur und Frauen hatten sich die Grünen bereits ausverhandelt.
Doch die ÖVP wollte den Grünen nur vier Ministerien und ein Staatssekretariat zugestehen. Nachdem die vier Ministerien aufgeteilt waren, das Vizekanzleramt für Werner Kogler , Soziales für Rudolf Anschober , Verkehr für Leonore Gewessler und Justiz für Alma Zadic , blieb für Kunst und Kultur nur noch die Möglichkeit eines Staatssekretariats. Ein eigenes Frauenministerium war somit ebenfalls ausgeschlossen. In den Verhandlungen war zuvor schon die Rede davon gewesen, dass es ohnehin gescheiter wäre, die Frauen-Agenden aus budgetären Gründen an ein anderes Ministerium anzudocken.
Am 1. Jänner kam dann noch einmal Bewegung in die Sache. Die ÖVP nominierte Magnus Brunner als Staatssekretär für das (grüne) Infrastrukturministerium. Bei den Grünen sorgte das für Unruhe. Brunner wurde als „Aufpasser“ in ihrem Ressort wahrgenommen. In der ÖVP heißt es, die Grünen-Führung hätte das gewusst.
Wie auch immer: Nun wurde bei den Grünen überlegt, selbst einen „Aufpasser“ in ein wichtiges Ressort, nämlich in das ÖVP-geführte der Finanzen, zu setzen. Doch da stand man wiederum vor der Krux der eigenen Vorgaben zur Geschlechterpariatät – es dürfen nicht mehr Männer als Frauen in der Regierung sein. Bei den Ministern stand es 2:2. Für das Finanzstaatssekretariat musste also eine Frau gefunden werden.
Oder aber: Die Grünen bekommen von der ÖVP noch ein zusätzliches Ministerium, nämlich für Kunst und Kultur, eventuell auch für Frauen, – und besetzen es mit einer Frau. Dann wäre wiederum der Weg für Meichenitsch als Finanzstaatssekretär frei gewesen.
Doch die ÖVP blieb hart. An der Formel „Vier plus eins“ sei nicht zu rütteln. Die „Salzburger Nachrichten“ brachten dann im Laufe des 1. Jänner Ulrike Lunacek als Staatssekretärin ins Spiel. Bei den Grünen wollte man das (noch) nicht bestätigen: Alles sei noch im Fluss, keine Entscheidung gefallen.
Diese fiel dann am Donnerstag: Ulrike Lunacek wird Staatssekretärin für Kunst und Kultur im Vizekanzleramt von Werner Kogler. Und die Frauenagenden wandern zur ÖVP.
Hier sieht man einen großen Teil des ÖVP-Regierungsteams. Sowohl Margarete Schramböck, Karl Nehammer, Sebastian Kurz, Elisabeth Köstinger sowie Gernot Blümel werden innerhalb der türkis-grünen Regierung Ministerämter übernehmen. APA/HANS PUNZ Sie gehörte zu den vielen Quereinsteigern im türkis-blauen Kabinett. Anders als die meisten anderen konnte sie sich in den eineinhalb Jahren auf der Regierungsbank jedoch politisch verankern. So gehörte die gebürtige Tirolerin, die erst mit ihrer Angelobung zur Ministerin Ende 2017 ÖVP-Mitglied wurde, bei den diesmaligen Koalitionsverhandlungen bereits zum engen Team rund um Sebastian Kurz. Inhaltlich kann die ehemalige Managerin bei Alcatel, NextiraOne und A1 auf das Standortentwicklungsgesetz verweisen. Eines der türkis-blauen Leuchtturmprojekte, das noch Bestand hat. (jaz) Die Presse Elisabeth Köstinger gehört zum inneren türkisen Zirkel. Dass die 41-jährige Kärntnerin auch diesmal nicht leer ausgehen würde, war klar, allerdings musste die frühere Umwelt- und Landwirtschaftsministerin einen Teil ihrer Zuständigkeiten, nämlich die Umweltagenden, abgeben. Köstinger hat viele Stationen durchlaufen. Sie ist im Bauernbund groß geworden, saß von 2009 bis 2017 im EU-Parlament und war dann Generalsekretärin der ÖVP. Allerdings nicht lang. Die Vertraute von Sebastian Kurz wurde Nationalratspräsidentin. Das war sie nur fünf Wochen. Dann wurde sie erstmals Ministerin. (j.n.) Die Presse Karl Nehammer ist Wiener. Er ist hier geboren, aufgewachsen, seit 2016 Landesobmann des ÖAAB. Politisch ist er aber auch Niederösterreicher, der frühere ÖAAB-Generalsekretär wurde auch dort politisch sozialisiert. Er war Abteilungsleiter Kommunal in Niederösterreichs ÖVP, trainierte dort Gemeinderäte. Nehammer ist in Migrations- und Sicherheitsfragen zweifellos ein Hardliner. Dass er Milizoffizier ist, merkt man ihm auch an: Er ist zielstrebig, schnörkellos und geradlinig. Und ein durchaus strategisch denkender, aber nicht engstirniger Kopf. (oli) Die Presse Als sich das Gerücht erhärtete, er werde Außenminister bleiben, saß Alexander Schallenberg mit Gordan Grlić Radman zusammen, seinem kroatischen Kollegen und Gast beim Neujahrskonzert. Das beschreibt die Spannbreite des 50-jährigen Chefdiplomaten, dem die Karriere als Sohn des Botschafters und Ex-Generalsekretärs Wolfgang Schallenberg quasi in die Wiege gelegt wurde. Die Kultur-, Medien- und Europaagenden, mit denen er vollauf beschäftigt war, muss der strategische Kopf und Kurz-Intimus ohne Parteibuch jetzt aber aufgeben. (vier) APA/GEORG HOCHMUTH Auch er ist ein Vertrauter von Kurz: Blümel, Obmann der Wiener ÖVP. Er war unter Türkis-Blau Kanzleramtsminister, vereinte in seinem Portfolio die Themen Europa, Kunst, Kultur und Medien. Diesmal verhandelt Blümel in gleich drei Gruppen mit: bei Staat, Gesellschaft und Transparenz, Wirtschaft und Finanzen sowie Europa, Integration, Migration und Sicherheit. Er gilt als Fixstarter für das Finanzministerium. Die Presse Ibiza hat auch die Pläne von Karoline Edtstadler durchkreuzt: Eigentlich, so die Politik-Legende, sei ihr eine Position als EU-Kommissarin versprochen worden. Dafür hatte die 38-jährige Salzburgerin ihren Job als Staatssekretärin aufgegeben und bei der EU-Wahl kandidiert. Die Beamtenregierung nominierte allerdings wieder Johannes Hahn, und Edtstadler wurde EU-Abgeordnete. Nun bleibt zwar ihr thematischer Fokus, der Dienstort ändert sich aber: Edtstadler wird Kanzleramtsministerin in Wien. Die Ex-Richterin gilt als Türkise durch und durch, vor allem in Sicherheitsfragen. (ib) Die Presse Susanne Raab leitete zuletzt die Sektion Integration im Außenministerium. Bei ihrer Ernennung 2017 war sie mit 33 Jahren die jüngste Sektionschefin Österreichs. Zuvor hatte sie die Integrationskoordination im Innenministerium über. Sie war mitverantwortlich für die Ausarbeitung des Integrationsgesetzes und des Burkaverbots. Bei den Koalitionsgesprächen saß sie am Verhandlungstisch. Die Oberösterreicherin aus Ampfwang studierte Psychologie und Jus in Innsbruck. Weggefährten beschreiben sie als „extrem akribisch, strebsam und bodenständig“. Und streng in Migrationsfragen. (win) APA (Armin Muratovic) Politiker ist er, wie er selbst sagt, keiner. Dennoch wird Heinz Faßmann neuerlich Bildungsminister. Dabei wollte der 64-Jährige eigentlich nur eine Legislaturperiode im Amt bleiben. Die türkis-blaue Ära ist ihm aber doch zu kurz gewesen.Als Vorsitzender des Expertenrats für Integration hat der Geograf enge Bande zum damaligen Staatssekretär Sebastian Kurz geknüpft. Als Minister ist der Ex-Vizerektor der Uni Wien professoral aufgetreten und ab und zu ausgeschert. Ihn habe die Message Control „nie erreicht“. Vielleicht war auch das Teil des Plans. (j.n.) Die Presse Eine relativ Unbekannte bekommt ein durchaus mächtiges Ressort. Christine Aschbacher wird „Ministerin für Vereinbarkeit“. Sie vereint die Familien- und Jugend- mit den finanzkräftigen Arbeitsagenden, die nach Kritik an einer möglichen Zusammenführung von Wirtschaft und Arbeit in letzter Minute verschoben wurden. Aschbacher passt gut ins Schema. Einerseits persönlich. Die 36-Jährige ist dreifache Mutter und leitet eine Business-Beratungsagentur. Andererseits befriedigt sie als Steirerin (aus Wundschuh/Graz) die Postenansprüche der zuletzt erfolgreichen Landespartei. (uw) (c) Foto Fischer Es ist nicht unbedingt das beliebteste oder finanzstärkste Ressort, das Klaudia Tanner übernimmt. Gerade deswegen hat sich die ÖVP wohl für die 49-Jährige entschieden: Tanner wird Österreichs erste Verteidigungsministerin – das soll zumindest eine positive Schlagzeile für das Heer sein. Fachlich hat Tanner – Juristin, Direktorin des Bauernbundes in Niederösterreich, Landtagsabgeordnete – bisher wenig Berührungspunkte gehabt. Aber sie gilt als „knochenhart“, der Typ Johanna Mikl-Leitner (als Ministerin) – und damit als gute Besetzung für die straffe Ressortführung, die sich die ÖVP wünscht. (ib) APA (ÖVP) Der Altbundeskanzler wird auch der neue Bundeskanzler sein: ÖVP-Chef Sebastian Kurz. REUTERS Der joviale Vorarlberger sitzt seit 2009 im Bundesrat. Seit 2018 ist er Bundesrats-Vizepräsident. Seine politische Karriere begonnen hatte der Bregenzer als Büroleiter von Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber von 1999 bis 2002. Hauptberuflich war der promovierte Jurist dann aber im Energiesektor tätig – seit 2007 als Vorstand der heimischen Ökostrom-Abwicklungsstelle OeMAG. Für die ÖVP hat Magnus Brunner auch das neue Ökostromgesetz mitgestaltet. (oli) (c) APA PHOTO SIMONIS Die ewige Nummer zwei der Grünen ist nun die Nummer zwei in der Bundesregierung. Werner Kogler hat geschafft, was Alexander Van der Bellen oder Eva Glawischnig nicht gelungen ist: Er führt die Grünen in eine Regierung. Wie er – zeitweilig als One-man-Show – die Grünen wieder ins Parlament gebracht hatte. Und zwar fulminant. Die politische Karriere des Werner Kogler schien eigentlich zu Ende – der letzte Höhepunkt war seine polit-kabarettistische Road-Show zum Hypo-Skandal, die ihn durch die Lande führte. Nun startet der 58-Jährige erst so richtig durch - mit den Agenden Kunst/Kultur, Sport und Öffentlichem Dienst. (oli) REUTERS Die 42-jährige gebürtige Grazerin Leonore Gewessler wurde von Grünen-Chef Werner Kogler persönlich rekrutiert. Gewessler war zuletzt Geschäftsführerin der NGO Global 2000, verantwortete dort Kampagnen gegen TTIP und Ceta, setzte sich für den Kohleausstieg Österreichs und gegen den Bau der dritten Piste ein. Davor war sie bei der Green European Foundation in Brüssel beschäftigt – und davor Büroleiterin im grün geführten Wiener Bezirk Neubau. Das Verkehrsressort ist das grüne Schlüsselressort und finanziell eines der potentesten. (ath) APA/HERBERT NEUBAUER Zadić kam mit zehn Jahren als bosnisches Flüchtlingskind nach Wien, zog mit der Liste Pilz 2017 als erste Abgeordnete mit bosnischem Migrationshintergrund in den Nationalrat ein, kandidierte 2019 als Koglers Wunschkandidatin für die Grünen – und wird nun mit 35 Jahren Justizministerin. Die Juristin sammelte internationale Erfahrung in Kanzleien in New York und London, absolvierte ihr Gerichtsjahr an der Columbia-Universität. Im BVT-U-Ausschuss fiel sie durch penible Vorbereitungen und geschickte Fragetaktik auf. (ath) APA/HANS PUNZ Keiner kennt eine ÖVP-Grün-Koalition besser als Rudi Anschober. Zwölf Jahre gehörte der 59-jährige Grün-Politiker einer solchen auf Landesebene an. Nun wird der oberösterreichische Landesrat Sozial- und Gesundheitsminister. Eigentlich ist Anschober, der sich 2012 eine Burn-out-bedingte Auszeit nahm, passionierter Umweltpolitiker. Zuletzt sorgte der dem Realo-Flügel zugerechnete Grüne aber mit der Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ für Schlagzeilen. Der umtriebige Selbstvermarktungsprofi konnte auch ÖVP-Politiker dafür gewinnen und setzte so Sebastian Kurz unter Druck. (j.n.) Werner Dedl Offen war bis zuletzt wer grüne Staatssekretärin wird. Es musste aufgrund der Geschlechterparität bei den Grünen eine Frau sein. Unklar war auch das Portefeuille. Am 2. Jänner herrschte endlich Klarheit: Die frühere grüne Europaparlamentariern Ulrike Lunacek wird Kunst- und Kulturstaatssekretärin. Die Presse Vierzehn Minister, zwei Staatssekretäre - und ein Kanzler ("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2020)
Lesen Sie mehr zu diesen Themen: