Susanne Wiesinger hat mit ihrem neuen Buch eine Diskussion über Österreichs Schulsystem ausgelöst. Die Neos tragen diese nun ins Parlament, Vorarlbergs Grüne üben Kritik an der ÖVP.
Die Debatte über die Treffsicherheit der österreichischen Bildungspolitik - ausgelöst von Buch und Bericht der Lehrerin und Ombudsfrau Susanne Wiesinger - wird am Mittwoch auch das Parlament erreichen: Die Neos haben angekündigt, die von Wiesinger geübte Kritik am System in der Aktuellen Stunde und wahrscheinlich auch in einer Dringlichen Anfrage (sofern SPÖ und FPÖ keine einbringen) an Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) aufgreifen zu wollen.
Sicherlich könne man - wie es auch Faßmann tat - kritisieren, dass Wiesinger ihr zweites Buch "Machtkampf im Ministerium" geschrieben hat, "aber man muss sich um die Inhalte kümmern", argumentierte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger Dienstag. Sie fühlt sich in der langjährigen pinken Kritik am alles überlagernden "parteipolitischen Machtkampf" in Ministerium und Bildungsdirektionen bestätigt - und prangert an, dass Kindern damit alle Chancen genommen würden. Das Regierungsprogramm müsse dringend überarbeitet werden, verlangt die Neos-Chefin: Denn es biete keinerlei Lösungen, sondern enthalte zur Bildung nur Floskeln und "inhaltlich sinnbefreite türkise Message Control".
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Die Causa Wiesinger sieht Meinl-Reisinger auch als Beispiel dafür, dass engagierte Menschen, die das Schulsystem kritisieren, "sukzessive mundtot gemacht" würden. Der Wiener Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr kritisiert ebenfalls - vor allem mit Blick auf Brennpunktschulen in der Bundeshauptstadt - "massive Missstände" und "jahrzehntelange Maulkörbe".
Walser: Hier hat man in der Kirche Verbündete gefunden"
Der frühere Grünen-Bildungssprecher Harald Walser, früher AHS-Direktor in Vorarlberg, griff Wiesingers Buch ebenfalls auf - genauer gesagt ihre Zeilen zum Einfluss der katholischen Kirche auf das Schulsystem. "Meiner Wahrnehmung nach ist das größte Problem die ÖVP, die teilweise wesentlich konservativer ist als die Kirche", sagt er und nennt als Beispiel die Diskussionen um ein Pflichtfach Ethik für alle Schüler: "Hier hat man in der Kirche Verbündete gefunden, in der ÖVP nicht."
Versuchte Einflussnahme der Kirche auf Inhalte von Sexualerziehung oder Direktoren-Bestellungen, wie sie Lehrerin Susanne Wiesinger in ihrem neuen Buch erwähnt, hat Walser nicht erlebt. "Aus Vorarlberg wäre mir das auch nicht bekannt." Die im Buch ebenfalls kritisierte Mitsprache beim Stundenplan erfolge wiederum eher indirekt, weil etwa Religionslehrer mit einer 50-prozentigen Lehrverpflichtung logischerweise nicht an fünf Tagen einsetzbar seien.
Auf einen Blick
Susanne Wiesinger war 25 Jahre lang Mittelschullehrerin in Wien-Favoriten, zudem bei der roten Lehrergewerkschaft aktiv. Nachdem sie ihr Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ veröffentlicht hatte, wurde sie 2018 von Heinz Faßmann (ÖVP) als Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte ins Bildungsministerium berufen. Am Montag erschien (wieder mit einem Addendum-Redakteur) ihr zweites Buch: „Machtkampf im Ministerium. Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört“.
(APA/Red.)