Das beliebte Designelement Holz kommt nicht immer aus heimischen Wäldern.
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Nachhaltigkeit: Beim Luxus ist deutlich Luft nach oben

Von klimatisierten Glasdächern, Tropenhölzern und ganz kleinen Schritten.

Überall rücken die Themen Nachhaltigkeit, CO₂-Ausstoß, Klimawandel und Überhitzung der Städte in den Mittelpunkt. Überall? Nein, in einem kleinen, wehrhaften Segment der Immobilienwirtschaft werden weiterhin großzügig die Dachausbauten verglast und im Sommer mittels Klimaanlage auf komfortable 22 Grad heruntergekühlt: Im urbanen Luxussegment ist man traditionell nicht gewöhnt, Kompromisse zu machen, und fängt damit, wenn überhaupt, nur sehr, sehr langsam an.

Für das Gewissen und die Kinder

Und erweckt dabei häufig den Eindruck, dass es keineswegs ein Herzensanliegen ist, sondern eher eine Maßnahme, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Zudem muss in Zeiten des Greta-Effekts Sorge getragen werden, dass die Kinder auch weiterhin mit einem reden. „Ein besonders großes Thema ist es im Luxussegment immer noch nicht“, weiß Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien. „Doch wird jetzt bei den Details etwas stärker darauf geachtet.“ Was im Konkreten bedeute, dass man zwar den Dachausbau immer noch mit großflächigen Glaselementen gestalte, dabei aber inzwischen Wert darauf lege, dass hochwertige Sonnenschutzverglasungen verwendet werden. „Wo früher gesagt wurde, ,Kühlung kostet eh nix, das blas ich rein‘, achten jetzt manche schon stärker auf die Energieklasse der Verglasungen“, sagt Müller. Denn in diesem Feld gibt es ähnliche Unterschiede in Qualität und Preis wie bei Autos: „Da kann ich entweder den Dacia um 10.000 oder den Maybach um 400.000 Euro nehmen – und inzwischen entscheiden sich immer mehr für den Maybach“, so Müller.

»Ein besonders großes Thema ist Nachhaltigkeit im Luxussegment immer noch nicht«

Martin Müller, JP Immobilien

Auch Elisabeth Rohr, Inhaberin von Rohr Real Estate, sieht beim Sonnenschutz noch am ehesten Interesse an effektiven, aber optisch anspruchsvollen Beschattungssystemen, die jedoch den Blick nicht trüben dürfen: „Solche Kunden wollen nicht einfach eine Blackout-08/15-Lösung, durch die man die Skyline nicht mehr sehen kann, sondern etwas Besseres“, weiß die Maklerin. Gefragt seien außerdem zunehmend automatisch ansteuerbare Beschattungen nicht nur für Dachschrägenfenster, sondern auch für die regulären Fenster. Sandra Bauernfeind, geschäftsführende Gesellschafterin von EHL Wohnen, stellt in diesem Bereich ebenfalls eine gewisse Bewusstseinsveränderung fest, die allerdings dem Wohlbefinden wie dem Klimabewusstsein geschuldet ist: „Die Kunden fragen schon stärker nach außen liegendem Sonnenschutz“, so die Maklerin. Im Gegensatz zu Gewerbeimmobilien, wo dies ein zentrales Thema ist, sei diese Nachfrage bei den Wohnimmobilien aber noch vereinzelt.

Nachhaltigkeit

Der Luxuskäufer macht von Haus aus ungern Kompromisse – auch nicht für den guten Zweck. Entsprechend sucht man besonders nachhaltige Konzepte und Technologien in jenem Segment, in dem das Geld eigentlich da wäre, immer noch meist vergeblich. In den kommenden Jahren ist sogar eher mit einer Zunahme von Klimaanlagen zu rechnen – sowohl in gläsernen Dachausbauten als auch in den teuren Regelgeschoßen.

Eher mehr Klimaanlagen

Was die in Sachen Klimaschutz verpönten Klimaanlagen angehe, müsse man eher mit einer Zu- als einer Abnahme rechnen: „Das Thema Kühlung wird in den kommenden Jahren ein ähnlich großes werden wie das Heizen“, ist Bauernfeind überzeugt. „Im Luxussegment werden sie ganz sicher auch in den Regelgeschoßen zum Thema, während man sich im Moment ja häufig auf die Dachgeschoße beschränkt.“ Von manchen Kunden geschätzt würde die Bauteilaktivierung: „Elemente wie eine Wand- oder Deckenkühlung werden sehr gut angenommen“, weiß Rohr. Zumindest solange damit keine Nachteile verbunden sind. Rohr erzählt in diesem Zusammenhang von einem inzwischen verkauften Neubauprojekt, bei dem man die kontrollierte Wohnraumlüftung besonders hervorgestrichen hatte. Dieses Detail, so Rohr, habe die Kundschaft aber nicht übermäßig beeindruckt. Vielmehr hätten die damit verbundenen Deckenvorsprünge den Verkauf eher erschwert als erleichtert.

Schon eher auf Interesse gestoßen sei dagegen die sogenannte Climawin-Fassade, die beim Bau des Ambassy-Projekts im Dritten verwendet wurde. Das System versorgt das Haus mit vorgewärmter Frischluft und verspricht, auf diesem Weg den jährlichen Energiebedarf um 20 Prozent zu verringern.

Anwenderprobleme

Dabei tauche aber häufig eine Problematik auf, die man erst noch in den Griff bekommen muss. „Oft bestehen ganz einfach Anwenderprobleme, weil vieles in der Praxis noch nicht erprobt ist“, erläutert Rohr. So habe manch einer bei Startschwierigkeiten mit dem Bedienen des Climawin-Systems nicht nachgefragt, sondern erst wieder die Fenster aufgemacht – was das Ganze wenig sinnvoll macht.

»Oft bestehen Anwenderprobleme, weil vieles in der Praxis noch nicht erprobt ist«

Elisabeth Rohr, Rohr Real Estate

In einem anderen Fall hatte der Bauträger die kontrollierte Wohnraumlüftung schon während der Bauphase in Betrieb genommen, was zwei Wochen nach Einzug der Bewohner für verstopfte Filter sorgte. Unannehmlichkeiten, die die Zuneigung der eher verwöhnten Klientel zu klimaschonenden Technologien nicht gerade steigern und auch nicht für eine aktive Nachfrage sorgen dürften. Was wiederum bei den Bauträgern zu einem eher schaumgebremsten Enthusiasmus führt, wenn es um das Installieren der neuesten Technologien bei denjenigen geht, die sie sich eigentlich leisten können.

Engagierte Häuslbauer

Auch bei der Ausstattung liegt der Fokus noch nicht auf nachhaltigen Materialien, wissen die Makler. „Bei den Terrassenbelägen wird nach wie vor tropisches Holz verwendet, vereinzelt vielleicht einmal Lärche“, weiß Bauernfeind. Rohr stellt ebenfalls kein gesteigertes Interesse an heimischen Hölzern fest. „Wenn ein Baum im Wienerwald geschlagen und dann ein Jahr gelagert wurde, kann man damit vielleicht punkten, sonst aber eher nicht.“

Wobei man mit der Beschränkung auf Eigentumswohnungen und Bauträgerprojekte einer Gruppe unrecht tue, die tatsächlich Wert auf nachhaltige Konzepte lege: „Das ist die Gruppe der Luxuskunden, die sich bewusst dafür entscheidet, ein Haus auf dem Land zu bauen und dort alles konsequent nachhaltig umzusetzen“, weiß Rohr. Was jedoch selbst mit gut gefülltem Börsel keine leichte Aufgabe sei: „Ich weiß von Kunden, die so ein Projekt vom Reetdach bis zu den Lehmwänden ausführen wollten und enormen Aufwand betreiben mussten, um die entsprechenden Professionisten zu finden. Nur um dann festzustellen, dass es keinen Generalunternehmer gab, der diese Gewerke koordinieren wollte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2020)

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