Epidemie

Coronavirus: Gefangen auf dem Luxusschiff

APA/AFP/PHILIP FONG
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Zwei Wochen dürfen Kreuzfahrtpassagiere in Japan ihre Kabinen nicht verlassen. 10.000 Menschen campierten in Hongkong im Freien, um Masken zu ergattern.

Wien/Tokio/Peking. Zumba um halb zehn, Japanisch um drei viertel zwei, Tanzstunden um drei viertel neun. „Es ist ironisch, dass das Programm bis zum Abend vollgepackt ist“, schreibt ein Japaner auf Twitter. Das Einzige, was er und die 2665 restlichen Passagiere an Bord der Diamond Princess in den nächsten Tagen machen dürfen, ist, auf ihren Zimmern zu bleiben. Dort, wo sich auf dem Luxus-Kreuzfahrtschiff sonst Passagiere tummeln, zeigen Videos und Fotos des Reisenden leere Gänge und Personal mit Schutzausrüstung. 14 Tage lang müssen die Urlauber und 1045 Besatzungsmitglieder auf dem Schiff, das im japanischen Yokohama vor Anker liegt, in Quarantäne bleiben.

Ein 80-jähriger Hongkonger war am Samstag positiv auf das Coronavirus getestet worden. Seitdem wurde die Lungenkrankheit bei zehn weiteren Menschen festgestellt. Sie wurden ins Krankenhaus gebracht. An Bord bringen Angestellte mit Schutzkleidung den in ihre Zimmer eingeschlossenen Passagieren die Mahlzeiten. „Wir können nicht einmal die Tür öffnen und auf den Gang gehen“, erzählt der Brite David Abel, der mit seiner Frau an Bord ist, in einem Facebook-Video. „Wir sind in unseren Kabinen eingesperrt.“ Selbst am Dienstag, noch bevor die strikten Maßnahmen angeordnet wurden, sei das Schiff wie ausgestorben gewesen.

Auch in Hongkong wurde ein Kreuzfahrtschiff mit mehr als 1800 Passagieren festgesetzt. Bei drei Menschen, die zwischenzeitlich mitgereist waren, war das Virus festgestellt worden. Drei Crewmitglieder litten an Fieber, sie wurden ins Krankenhaus gebracht und isoliert. Die Passagiere mussten vorerst an Bord bleiben – bis zuletzt war unklar, wie lang. Betreiber fürchten bereits Einbußen: Jänner bis März sind die stärksten Monate, um Schiffsreisen zu verkaufen.

Schwangere stecken Ungeborene an

Während die Zahl der Infizierten in Festlandchina bis Mittwoch auf 24.324 anwuchs und die der Toten – die meisten waren männlich, älter als 60 und hatten Vorerkrankungen – auf 490 stieg, wuchs in Hongkong die Sorge, die Epidemie könnte überschwappen. Seit Monaten beuteln Proteste die Sonderverwaltungszone. Die Regierung will eine Krise wie während der Sars-Epidemie 2003 verhindern und stellt jeden Besucher vom Festland zwei Wochen unter Quarantäne.

21 Fälle sind in der Stadt bisher bekannt, die letzten drei Patienten dürften sich in Hongkong angesteckt haben. Der Metropole gehen die Masken aus, dabei darf niemand ohne den Schutz außer Haus. 10.000 Menschen campierten Dienstag und Mittwoch mehr als einen ganzen Tag vor dem Büro eines Händlers, der eine neue Großlieferung von Masken angekündigt hatte. Einmal mehr streikten am Mittwoch Tausende Ärzte und Pfleger: Sie forderten eine völlige Sperre der Grenze zum Festland.

Zumal das Coronavirus ansteckender sein könnte als gedacht: Der Erreger könne mit nur sehr milden Krankheitssymptomen übertragen werden, sagten deutsche Forschungsinstitute, die Patienten in München betreuen. Zudem könnte er von Schwangeren auf Ungeborene übertragen werden, berichtete Chinas Staatsfernsehen. Dreißig Stunden nach der Geburt sei bei einem Kind, dessen Mutter sich infiziert hatte, das Virus bestätigt worden. (me)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2020)

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