Das Archiv des Planeten

Lia Tilon: „Der Archivar der Welt“,
Lia Tilon: „Der Archivar der Welt“,dtv
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Die Niederländerin Lia Tilon hat aus dem Leben des französischen Mäzenen Albert Kahn einen schillernden Roman gemacht.

Ein Grund zu jubeln: Die Farbfotografie ist erfunden! Der Pariser Bankier Albert Kahn drückt seinem Chauffeur eine Kamera in die Hand. Denn: Wer Autos fahren und reparieren kann, der wird auch lernen zu fotografieren. Kahn selbst hat wenig Ahnung davon, aber er hat ein Fachbuch der Brüder Lumière gelesen, und eines hat er verstanden: So schwierig kann das nicht sein.

Alfred Dutertre soll also in allen Weltgegenden Fotos machen. Zu welchem Zweck und Ende? Der Hass, meint Kahn, könne sich nicht festsetzen, wenn wir Fotos von Menschen ansähen, so, wie sie wirklich sind. Wir würden uns in diesen Bildern wiederfinden und jegliches Ressentiment würde verschwinden.

Albert Kahn ist eine historische Figur. Er war Teilhaber einer Bank und nutzte seinen Reichtum, um Wissenschaft und Kunst zu fördern. Sein Mäzenatentum hängte er nicht an die große Glocke. Auch auf den Tausenden Fotos, die für das „Archiv des Planeten“ gemacht wurden, findet er sich nur selten.

Vielleicht war es diese Bescheidenheit, die die Niederländerin Lia Tilon gereizt hat, über ihn zu erzählen. Dutertres Tagebücher dienten Tilon als Grundlage. Seine Texte sind trockene Berichte und Aufzählungen, während Tilon einen emotionalen Roman über die ungewöhnliche Reise und die ebenso ungewöhnliche Freundschaft dieser beiden Männer geschrieben hat. So langsam wie die damaligen Verkehrsmittel spult sich die Handlung ab, mit vielen Gedanken über das Leben in all seiner Buntheit, während die Welt in Nationalismus und Antisemitismus versinkt. CLE

Lia Tilon: „Der Archivar der Welt“, üb. v. U. Faure, dtv, 271 S., € 22,70

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2020)

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