Der Kanzler setzt primär auf den Schutz der EU-Außengrenze. Außenminister Schallenberg bestellt den türkischen Botschafter ein.
Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt hat, die Türen für Flüchtlinge nicht mehr zu schließen und Tausende Menschen die Grenzen zu Griechenland und Bulgarien passieren zu lassen, haben sich FPÖ, Grüne, NEOS sowie die Allianz für Österreich (DAÖ) empört gezeigt.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte den Schutz der österreichischen Grenzen in Aussicht gestellt, sollte der EU-Außengrenzschutz nicht gelingen. "Eine Situation wie 2015 darf sich keinesfalls wiederholen. Unser Ziel muss es sein, die EU-Außengrenzen ordentlich zu schützen, illegale Migranten dort zu stoppen und nicht weiterzuwinken", erklärte der Bundeskanzler in einer Stellungnahme gegenüber der Austria Presse Agentur. "Wenn der Schutz der EU-Außengrenzen nicht gelingen sollte, dann wird Österreich seine Grenzen schützen."
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat wegen der türkischen Vorgehensweise den türkischen Botschafter Ozan Ceyhun zu einem Gespräch gebeten. Wie das Außenamt am Samstag bestätigte, fand das Gespräch am Freitagnachmittag statt. "Es ist essenziell, dass die Türkei ihren Teil des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens einhält. Eine Wiederholung der Migrationskrise von 2015/2016 muss unbedingt vermieden werden", betonte Schallenberg auf Twitter. "Wir sind sehr besorgt über die Eskalation in der Region Idlib und die humanitären Auswirkungen und rufen zu einem sofortigen Waffenstillstand auf."
Kritik aus allen Fraktionen
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl forderte den Einsatz des griechischen Militärs. Der Europasprecher der Grünen, Michel Reimon, erklärte, die "EU darf sich von Türkei nicht erpressen lassen". Die Neos-Europaabgeordnete Claudia Gamon forderte ein ausreichendes EU-Budget für souveräne Grenzkontrollen. Und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (DAÖ) verlangte auf Facebook: "Österreichs Regierung muss beim drohenden und aktuell eventuell auf uns zukommenden neuen Migranten-Ansturm die österreichischen Grenzen konsequent schließen, sichern und schützen."
Auch Kickl erklärte, er hoffe, dass die "Regierung das weitere Vorgehen der Verantwortlichen in Brüssel genau im Auge behält und bei einem Nichthandeln der EU unsere Grenzen 'dicht macht'". Er sprach in einer Ausendung außerdem davon, dass man über Erdogans Ankündigung "angesichts dieser Dimension" "in gewisser Weise schon von einem Angriff reden" könne. Die EU müsse nun rasch ein klares Bekenntnis für einen Militäreinsatz abgeben.
Reimon fordert mehr humanitäre Hilfe
"Europa darf Erdogans Erpressung nicht nachgeben", erklärte Reimon in einer Aussendung. "Dass Erdogan Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze nun gegen jene an der syrischen Grenze ausspielt, ist doppelt schändlich." Was Österreich tun könne, sei "sofort humanitäre Hilfe leisten und an internationale Organisationen auszahlen, um das Leid zu mildern." Er werde sich die Situation an der Grenze zu Griechenland in den kommenden Tagen ansehen, kündigte Reimon an.
Gamon fordert rasches und entschlossenes Handeln, "damit Europa nicht länger Spielball Erdogans, sondern Akteur in der aktuellen Krise ist". Deals mit umstrittenen Machthabern wie Erdogan seien "keine tragfähigen Lösungen". Es sei nun oberste Priorität, Verantwortung für die europäischen Grenzen und die humanitäre Lage in der Region zu übernehmen, so Gamon in einer Aussendung. "Daher sind Maßnahmen für funktionierende und souveräne Außengrenzkontrollen aus eigener Kraft und mit eigenen europäischen Einheiten notwendig."
EU-Außenminister beraten am Donnerstag
Die Außenminister der EU wollen am Donnerstag bei einem informellen Treffen in Kroatiens Hauptstadt Zagreb über die Türkei beraten. Das bestätigte Sprecherin Virginie Battu am Samstag - wenige Stunden zuvor hatte der türkische Präsident Erdogan die türkischen Grenzen zu den EU-Ländern Griechenland und Bulgarien für Migranten für offen erklärt.
Österreichs Außenminister Schallenberg telefonierte bereits mit seinen Amtskollegen aus Griechenland und Bulgarien, Nikos Dendias und Ekaterina Sachariewa. "Die EU muss in dieser Sache schließlich eng abgestimmt vorgehen", hieß es aus dem Außenministerium. Besonders in Griechenland sei die Situation laut Dendias sehr angespannt, weswegen die Minister vereinbart haben, in engem Kontakt zu bleiben. "Klar ist auch, dass man die Griechen in dieser Situation nicht alleine lassen würde."
(APA)