Interview

Ungarns Justizministerin: „Die Empörung ist heuchlerisch“

Ungarns Justizministerin Varga sieht im neuen Notstandsgesetz eine Stärkung des Parlaments.
Ungarns Justizministerin Varga sieht im neuen Notstandsgesetz eine Stärkung des Parlaments.Gilbert Novy / KURIER / pictured
  • Drucken

Ungarns Justizministerin nennt die Vorwürfe, ihr Land würde in der Coronakrise die Demokratie aushebeln, „Falschnachrichten“ in einer „liberalen Meinungsdiktatur“.

Die Presse: Ungarn hat einen unbefristeten Ausnahmezustand in der Coronavirus-Krise beschlossen. Andere Länder haben auch Notstandsgesetze, aber immer zeitlich begrenzt. Warum nicht in Ungarn?

Judit Varga: Der Ausnahmezustand – bei uns heißt es „Gefahrensituation“ – wird aufhören, wenn die Gefahr nicht mehr besteht. Das ist ein objektives Kriterium. Rechtlich gesehen wird das Gesetz vom Parlament aufgehoben, wenn die Gefahrensituation beendet ist. Das bindet die Regierung. Das neue Gesetz stärkt damit also das Parlament. Juristisch geht es übrigens nicht um die Dauer des Ausnahmezustands...

...sondern um die Dauer der in dessen Rahmen beschlossenen Maßnahmen?

Genau, das war bisher auf 15 Tage begrenzt. Beim ursprünglichen Konzept der Gefahrensituation dachte man an Überschwemmungen oder Industrieunglücke. Jetzt müssen wir in einem viel längeren Zeithorizont denken.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Coronavirus

Krisen-Maßnahmen: 13 EU-Staaten befürchten Gefahr für Demokratie

Mehrere Mitgliedsländer sind besorgt, dass Maßnahmen gegen die Pandemie gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen könnten. Ungarn wird nur indirekt erwähnt. Österreich hat nicht unterzeichnet.
Notstandsgesetz

Ungarn: Verfassungsgericht will Regierung verstärkt kontrollieren

Der Verfassungsgerichtshof werde seine Aufmerksamkeit auf auf die Entscheidungen der Regierung lenken, heißt es in einem Schreiben. Er darf seine Sitzungen auch in der Notlage per Videokonferenz abhalten.
Judit Varga: Panikmache ist ein Delikt
Coronakrise

Ungarn: Justizministerin verteidigt umstrittenes Notstandsgesetz

Es sei Mode in Europa, Ungarn zu kritisieren. "Wir sind europäisch, aber kritisch", sagt die ungarische Justizministerin.
Ministerpräsident Viktor Orbán bei der Abstimmung über das umstrittene Notstandsgesetz, das von Opposition, EU und westlichen Parlamentariern heftig kritisiert wird.
Europäische Union

Orbán hat keine Sanktionen zu befürchten

Das ungarische Notstandsgesetz sorgt für Unbehagen in Brüssel. Auch Kommissionschefin von der Leyen übt vorsichtige Kritik an Budapest. Aber für konkrete Maßnahmen der EU fehlen rechtliche Grundlagen.
Das Parlament hat am Montag einer Verlängerung des Ausnahmezustands zur Bekämpfung des Coronavirus, ohne zeitliche Befristung, zugestimmt (Im Bild: Ministerpräsident Viktor Orbán).
Notstandsgesetz

Ungarn: Ist das Parlament „ausgeschaltet“?

Das Notstandsgesetz und das Fehlen einer zeitlichen Beschränkung könnten ein innenpolitischer Schachzug von Premier Orbán gewesen sein.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.