Erinnerungsträger der anderen Art. Wiener Fiaker, dieser Tage.
Bedrohter Berufsstand

Ausgewiehert? Über Wiens Fiaker

Sie sind die ältesten Verkehrsdienstleister, wichtige Imageträger Wiens – und derzeit, in pandemischen Tagen, in ihrer Existenz bedroht. Das freilich nicht zum ersten Mal: Schon vor hundert Jahren brachten Straßenbahn, Fahrrad und Automobil die Fiaker unter Druck.

Vor rund hundert Jahren war es schon einmal so weit: Die Fiaker drohten von den Straßen Wiens zu verschwinden. Ein Countdown in den Schlagzeilen setzte ein: „Die letzten Hundert“ (1924), „Die letzten Vierzehn“ (1927) . . . Nachrufe auf den Fiaker hatten Hochkonjunktur, und selbst die „Arbeiter-Zeitung“ nahm wehmütig Abschied: „Der Wiener Fiaker ist ein Kind der Wienerstadt und der ,guten alten Zeit‘ gewesen.“

Um 1900 befand sich das Fiakergewerbe auf dem Höhepunkt seiner Geschichte, statistisch wie symbolisch. Rund 1000 Fiaker boten in der Stadt ihre Dienste an – 15-mal mehr als heute, Einspänner und sonstiges damaliges Lohnfuhrwerk nicht gerechnet. Die öffentliche Wahrnehmung des Fiakerkutschers war zwiespältig und schwankte zwischen Kritik und Verklärung. Den einen galt er als ein bornierter, altmodischer und noch dazu teurer Lohnfuhrwerker; für die anderen war er mehr denn je zu einer altwienerischen Symbolfigur und zu einem „Wiener Typ“ par excellence geworden.

Manche von ihnen waren stadtbekannt und trugen Spitznamen wie „Schmutz-Pepi“ oder „schöner Karl“. Der Fiaker stand stellvertretend für zahlreiche andere kleine Gewerbetreibende, die sich von Industrialisierung und Modernisierung bedroht fühlten, und stemmte sich öffentlichkeitswirksam gegen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche der Zeit.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.