Die EU-Kommission tut Kanzlerin Merkel mit ihrer Klagsdrohung einen Gefallen – doch er birgt große Risiken.
Brüssel. „Das letzte Wort zu EU-Recht wird immer in Luxemburg gesprochen. Nirgendwo sonst“, ließ Ursula von der Leyen am Sonntagnachmittag die Welt und ganz besonders zwei Handvoll eminenter deutscher Höchstrichter im schönen Karlsruhe wissen. Deren Urteil am Bundesverfassungsgericht in der Frage, ob der Gerichtshof der EU (EuGH) seine Zuständigkeiten überschritten habe, als er den Anleihenkauf der Europäischen Zentralbank während der Eurokrise für rechtens erklärte, erfordere eine eingehende Prüfung. Da sei auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland nicht auszuschließen.
Eine erstaunlich robuste Feststellung der Präsidentin der Europäischen Kommission, war das. Denn bisher ist sie in Fragen des Spannungsverhältnisses zwischen politischem Wollen und rechtsstaatlichem Dürfen ziemlich schmallippig geblieben. Warum also der Mahnruf nach Deutschland? Und warum erst jetzt? Das Karlsruher Urteil liegt seit Dienstag vor. Am Mittwoch trugen die Hausjuristen der Kommission von der Leyen und ihren 26 Kommissaren ihre Analyse dessen vor. Am Freitag, sagte Chefsprecher Eric Mamer auf Nachfrage der „Presse“, erhielt, von der Leyen eine weitere Analyse dieses juristischen Dienstes.