Gastkommentar

Gender Equality: Wann, wenn nicht jetzt?

Peter Kufner
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Die Coronakrise wirkt vielfach wie ein Brennglas. Geschlechterungleichheiten werden dadurch sichtbarer. Es braucht jetzt einen Systemwandel. Und es gibt Hoffnung für diesen: Aber nur, wenn es dafür einen breiten politischen Willen gibt.

Applaus, Applaus für die Heldinnen der Coronazeiten! Täglich hören und lesen wir Danksagungen von der Politik, den Medien und der Wirtschaft für die – zu rund 70 Prozent weiblichen – Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen. Jeder Lebensmittelkonzern bedankt sich in Fernsehspots und via Plakatwerbungen für den Einsatz der Mitarbeitenden, zahlt symbolisch einmal eine Prämie, beschwört das Gemeinsame und den Zusammenhalt. Doch gibt es den wirklich?

Ein grundlegendes Organisationsprinzip unserer Gesellschaft ist Ungleichheit – bei Vermögen, Löhnen und Einkommen, bei Bildungschancen, zwischen den Geschlechtern. Letztere zeigt sich am deutlichsten in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit werden in Österreich von Frauen verrichtet. Bei der bezahlten Arbeit kehrt sich dieses Verhältnis um, 39 Prozent der bezahlten Arbeit wird von Frauen erbracht, 61 Prozent von Männern. Die Zahlen sind übrigens von 2009; seither wurde nicht einmal mehr erhoben, ob sich an dieser Schieflage etwas verändert, das hat offenbar niemanden interessiert. Wir dürfen hoffen, dass die im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehene neue Zeitverwendungsstudie tatsächlich beauftragt wird. Es wäre nämlich schön, wenn die dringend anstehende Veränderung dieser Verhältnisse in einer evidenzbasierten Gleichstellungspolitik resultiert, die diesen Namen verdient hat.

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Verbesserung notwendig

Die Coronakrise führt uns drastisch vor Augen, wie notwendig eine Verbesserung der Situation vieler Frauen ist. Unbezahlte Pflege- und Hausarbeit anzuerkennen und wertzuschätzen und durch die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und Infrastrukturen zu unterstützen ist ein wichtiger Beitrag zu Gender Equality. Es ist nicht der richtige Weg, Zehntausende ausländische 24-Stunden-Betreuerinnen als Selbstständige zu schlechten Bedingungen zu beschäftigen und ihnen noch nicht einmal die volle Höhe der Kinderbeihilfe auszubezahlen. Dass einige Hundert rumänische Betreuerinnen gerade sehr medienwirksam in Korridorzügen herbeigeholt werden, verstellt uns den Blick darauf, dass Tausende dieser Betreuerinnen seit vielen Wochen rund um die Uhr im Einsatz sind und deren Ablöse in keiner Weise geklärt ist. Dieser Weg führt nicht zu Gender Equality, er führt zu einer neuen Gruppe marginalisierter, ausgenutzter Frauen.

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