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Mitreden beim Gürtel-Pool: Wie fair ist der öffentliche Raum in Wien verteilt?

„Eine Schneise, die sich durch die gewohnten Bahnen des Denkens schlägt"? Oder ein Schikane für alle Autofahrer? Die Gürtelfrische West erhitzt diesen Sommer die Gemüter. Diskutieren Sie mit!

Ein temporäres 36-Quadratmeter-Becken mit 1,40 Meter Tiefe, ein Rollrasen und eine mehrspurige Kreuzung in Wien, das sind die Zutaten einer verkehrspolitischen Debatte, die unter anderem auch die „Presse"-Kolumnistin Anneliese Rohrer zum Nachdenken über Wiener Verkehrspolitik anregt. „Abgesehen von der angeblich brillanten Idee eines Pools mitten in einem abgasvernebelten Verkehrsknotenpunkt beweist das Projekt lediglich die Unfähigkeit der Grünen, über Pop-up-Radfahrwege und Begegnungszonen hinauszudenken – in dem Fall mit freundlicher Unterstützung der SPÖ“, kritisiert Rohrer.

Einer dieser SPÖ-Unterstützer ist Gerhard Zatlokal, Bezirksvorsteher des 15. Bezirk. Er wolle, „etwas für die Menschen tun“ - und austesten, was möglich ist, sagt er. Und dass der Pool, der bis Ende August bleibt,  nächstes Jahr wieder kommen soll. Über eine Komplettsperre könne man reden, allerdings erst in Jahren, das Thema werde nämlich „viel zu emotionalisiert“ behandelt, so Zatlokal im Gespräch mit Christine Imlinger.

Susanne Haider von der Agentur art:phalanx, die die 150.000 Euro teure „Gürtelfrische West“ des 15. und 7. Bezirk betreut, denkt im „Presse"-Gespräch generell an die Platzverteilung. „Es geht um das Thema öffentlicher Raum, die Frage, wie verteilt man den Platz. Dieses Thema ist in den vergangenen Monaten noch wichtiger geworden. Es sorgt für Kontroversen, aber es gibt auch sehr viel positiven Zuspruch.“

Zum Beispiel aus dem Ausland. Lobeshymnen stimmt etwa die „Berliner Zeitung“ an, die in einem Artikel erklärt, „wie unfassbar cool Wien mit einer Straßenkreuzung umgeht“ und meint: „Die Gürtelfrische ist wie eine Schneise, die sich durch die gewohnten Bahnen des Denkens schlägt."

Die meisten Leserbrief-Schreiber in der „Presse“ sehen das anders und üben scharfe Kritik. „Ein unsinnigeres Projekt kann man sich kaum vorstellen - besonders im heurigen Coronasommer“, schreibt Michaela Wienerroither aus 1170 Wien. „Gernot Blümel wird sich wohl für die unverhoffte Wahlkampfhilfe bedanken“, schreibt Sebastian Zimmel aus dem 19. Bezirk. Und weiter: „Rechts und links im qualmenden Autoverkehr ein kleiner leerer, überwachter Pool, in der gleißenden Hitze eine Kletterwand, deren Griffe man nur mit Handschuhen angreifen konnte, ein Plastikrasen, der vor sich hin dampfte."

Obwohl das Projekt eine rot-grüne Kooperation auf Bezirksebene ist, hörte Martin Stuhlpfarrer auch in roten Kreisen Kritik daran. Unverhohlener ist die Kritik an Birgit Hebeins Plan für die autofreie Innenstadt (Ausnahmen inklusive), den die grüne Vizebürgermeisterin ursprünglich noch vor der Wien-Wahl umsetzen wollte. Eine autofreie Wiener Innenstadt sei zwar überfällig, meint etwa der langjährige SPÖ-Politiker und Ex-Verkehrsstadtrat Rudolf Schickerin einem Gastkommentar. Doch das, was die Grünen betreiben würden, sei Populismus. Hebein wiederum meint in einem Interview mit Dietmar Neuwirth, ihr Plan sei es einfach, „so viel Lebensqualität und so wenig Abgase wie möglich“ in Wien umzusetzen. Und: „Dass man sich in Details zusammenraufen muss, ist in einer Koalition normal."

(sk)

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