Der ökonomische Blick

Der nächste US-Präsident, Wahlkampfspenden und effiziente Märkte

A group of friends who live in New York City celebrate after former Vice President Joe Biden was declared the winner of the 2020 U.S. presidential election
A group of friends who live in New York City celebrate after former Vice President Joe Biden was declared the winner of the 2020 U.S. presidential electionREUTERS
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Für Investoren ist es essentiell, abzuschätzen wie einzelne Branchen vom Ausgang der US-Wahl beeinflusst werden. Und für Firmen scheinen Wahlkampfspenden als Investment durchaus Sinn zu machen.

Letzte Woche wählten die US-Bürger einen neuen Präsidenten, und diese Wahl wird unvermeidlich auch starken Einfluss auf die Finanzmärkte haben, denn der US-Präsident hat durch politische Richtungsentscheidungen vielfältige Möglichkeiten, Börsenkurse zu beeinflussen. Dies gilt für den Gesamtmarkt ebenso wie für einzelnen Firmen und Sektoren. Für Investoren auf der Suche nach der „richtigen“ Aktie ist es daher essentiell, abzuschätzen wie einzelne Aktien und Branchen vom Ausgang der Wahl beeinflusst werden. Ein gutes Beispiel ist hier auch die Klimapolitik: Der Republikaner Donald Trump negiert den Klimawandel und setzt stark auf die Kohle- und Ölindustrie, während der demokratische Wahlsieger Joe Biden eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien und einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern will.

Für die Geschäfte der Ölkonzerne wäre also ein Sieg Trumps zumindest kurzfristig besser gewesen, während die Hersteller von Windrädern, Solarzellen und Elektroautos sich durch den Sieg Bidens Aufschwung erwarten.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Dementsprechend setzten viele Firmen bzw. deren Spitzenmanager hohe Geldsummen der Unternehmen ein, um einen der Kandidaten zu unterstützen. Donald Trump erhielt bspw. bisher über zwölf Millionen Dollar von Ölkonzernen, während sein Rivale Joe Biden von diesen weniger als ein Sechstel so viel bekam. Aus dem Agrarsektor bekam Trump 4,5 Millionen; Biden nur 250 Dollar!

Biden bei Spenden deutlich vor Trump

Biden wird demgegenüber von der Finanzbranche (90 Millionen vs. 30 Millionen für Trump), Tech-Unternehmen (32 Millionen vs. weniger als 30.000 (!) für Trump) und Anwälten (39 Millionen vs. 400.000 für Trump) favorisiert. Insgesamt liegt Biden bei den Wahlkampfspenden deutlich vor Trump – allerdings galt dasselbe für Hillary Clinton im Jahr 2016, und sie verlor die Wahl trotzdem.

Vielleicht wundern sich nun manche Leser, wie Firmen in den USA so hohe Summe in den Wahlkampf investieren bzw. an Kandidaten und Parteien spenden können, denn in Österreich unterliegen Spenden durch Firmen an Parteien strengen Regulierungen. In den USA hingegen haben solche Spenden eine lange Tradition und seit einem Höchstgerichtsurteil (Citizens United gegen FEC; case 08-205, 558) im Jahr 2010 sind diese unbeschränkt möglich – geschützt durch das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Dementsprechend unterstützen Unternehmen Kandidaten oft mit Millionenbeträgen. Teils erfolgt dies aus ideologischen Gründen (so gab der Finanzmagnat Michael Bloomberg 100 Millionen Dollar aus, um Biden einen Sieg in Florida zu sichern – was aber misslang), teils aber auch, um eigene Geschäftsinteressen zu fördern.

Kehren wir dazu zurück zum Beispiel der Ölindustrie: Diese erwartete bei einem Trump-Sieg weitere Förderungen und keine Belastung fossiler Energieträger, während Joe Biden einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern fordert.

Damit hängt der Marktwert von Ölkonzernen entscheidend vom Wahlausgang ab. Nehmen wir an, der Wert des größten US-Ölkonzerns Exxon wäre bei einem Wahlsieg Trumps 200 Milliarden US-Dollar; bei einem Sieg von Biden aber aufgrund von geringeren zukünftigen Gewinnen nur 100 Milliarden. Im effizienten Markt werden nun diese Werte mit ihren Wahrscheinlichkeiten gewichtet um den Firmenwert zu erhalten. Nimmt man den Umfragen und Prognosen vor der Wahl folgend an, dass Trump eine 25ige Siegeschance hatte und Biden eine 75ige Chance, so sollte der Börsenwert von Exxon vor der Wahl 0,25x200 + 0,75x100 = 125 Milliarden Dollar betragen. Ist ein Investor nun überzeugt, dass Trump gewinnen wird, so kauft er vor der Wahl Aktien von Exxon zu 125 (Annahme, dass es genau eine Milliarde Aktien gibt), da deren Wert nach Trumps Wahlsieg auf 200 steigen sollte – der Investor macht dann einen Gewinn von 60 Prozent. Jemand der hingegen vom Wahlsieg Bidens überzeugt war, würde Exxon zu 125 verkaufen, da er erwartet, dass der Börsenwert nach dem Sieg Bidens auf 100 sinken wird.

Für Exxon bzw. dessen Management, deren Bonuszahlungen entscheidend vom Firmenwert abhängen, macht es nun durchaus Sinn, Trump mit bspw. zwei Millionen Dollar zu unterstützen; hätte doch sein Wahlsieg den Firmenwert um viele Milliarden gesteigert.

Gute Beziehungen

Tatsächlich gab Exxon 2020 (ebenso wie in jedem der letzten zehn Jahre) rund zwei Millionen Dollar an Spenden und weitere 10 Millionen Dollar an Lobbyisten – letztere sorgen für „gute Beziehungen“ bspw. zu Senatsmitgliedern, die entscheidend für neue Gesetze und Regulierungen sind. Interessanterweise gingen aber nicht die ganzen zwei Millionen an Trump bzw. die Republikaner, sondern etwa ein Drittel der Gelder ging dieses Mal an Demokraten – vermutlich, um eine Tür offen zu halten, denn dann kann das Management immer noch anklopfen und den Wahlsieger erinnern, dass man ihn mit hunderttausenden Dollar unterstützt hat. Tatsächlich ist es nicht unüblich, dass Firmen an beide Kandidaten bzw. Parteien spenden – eben um sich abzusichern.

Bleibt die Frage, ob Firmen bzw. Aktionäre davon profitieren, auf den späteren Wahlsieger zu setzen, das heißt diesem Spenden zukommen zu lassen. Hier konnten mein Koautor Michael Kirchler und ich in einem Artikel zeigen, dass dies nach den Wahlen 1992 bis 2004 jeweils der Fall war: jene Firmen die insgesamt mehr spendeten, und insbesondere jene die auf den späteren Wahlsieger setzten, hatten Jahr nach der Wahl im Schnitt um durchschnittlich elf Prozentpunkte höhere Renditen als Firmen die auf den Wahlverlierer setzten.

Für Firmen scheinen Wahlkampfspenden als Investment also durchaus Sinn zu machen – ob sie für die Demokratie gut sind, ist hingegen mehr als fraglich.

Der Autor

Jürgen Huber ist Professor für Finanzwirtschaft und seit 2008 Leiter des Instituts für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen experimentelle und empirische Finanzmarktforschung sowie Informationsökonomie.

Jürgen Huber
Jürgen Huber

Quellenverweis: Huber, J., and Kirchler, M., (2013), Corporate Campaign Contributions and Abnormal Stock Returns after Presidential Elections. Public Choice 156 (1): 285-307; URL: https://link.springer.com/article/10.1007/s11127-011-9898-4

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