Bei der Lockerung von Pandemie-Maßnahmen könnte es in Österreich zu regionalen Unterschieden kommen. Angesichts vergleichsweise niedrigen Inzidenzen könnten in Vorarlberg Öffnungsschritte getestet werden.
Die Regierung lässt sich offenbar auch von den ständig weiter steigenden Corona-Zahlen nicht von Lockerungsüberlegungen abhalten. Aus Regierungskreisen heißt es, dass eine regional unterschiedliche Vorgangsweise erwogen wird. Demnach könnte es zu Lockerungen in Vorarlberg kommen, das angesichts der vergleichsweise niedrigen Inzidenzen dann zu einer Art Testgebiet werden würde.
Vorarlberg mit niedrigster Inzidenz
Aus der Regierung heißt es, dass sich auch die Experten für regional angepasstes Vorgehen aussprechen. Freilich hatte zuletzt der allergrößte Teil der medizinischen Berater vor weiteren Lockerungen gewarnt. Die Ampel-Kommission hatte sogar die Rücknahme von Öffnungsschritten nahe gelegt, wenn eine Inzidenz von 200 auf 100.000 Einwohner vorliegt.
Diese ist in Niederösterreich mit 196,2 bereits fast erreicht. Auch Wien, das in Lockdown-Zeiten beständig unter 100 lag, nähert sich der 200er-Markte mit großen Schritten (aktuell 186,6). Warum gerade im Osten das Infektionsgeschehen so stark wächst, ist Gegenstand unterschiedlicher Überlegungen. Einerseits soll sich hier die infektiösere britische Variante früher breit gemacht haben, andererseits haben gerade in Wien und Niederösterreich die Schulen eine Woche früher geöffnet, was ebenfalls einen größeren Effekt haben könnte.
Unter 100 liegt die Marke nur in zwei Bundesländern, knapp in Tirol trotz der dort grassierenden vermutlich impfresistenteren Südafrika-Variante, und deutlicher in Vorarlberg. Hier wurden am Sonntag 72,8 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner vermerkt. Wobei auch das bereits wieder einen Anstieg bedeutet. Vor einigen Tagen lag der Wert in Vorarlberg noch nahe an der Wunschmarke von 50.
Wallner für Öffnung in Gastronomie, Kultur, Sport
Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte sich zuletzt mehrfach für Öffnungen aufgeschlossen gezeigt, wenn die 7-Tages-Inzidenz stabil bleibe. Er habe am Wochenende bei Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) telefonisch für eine Sonderlösung geworben, sagte der Landeshauptmann gegenüber den „Vorarlberger Nachrichten“. Man wolle beim Öffnen österreichweit vorangehen. Denn mit einer 7-Tages-Inzidenz, die nicht einmal halb so hoch sei wie im Österreichschnitt, brauche es einen regionalen Spielraum.
Im Fokus stehen für Wallner die Öffnung der Gastronomie sowie erste Lockerungsschritte bei Sport und Kultur. Geht es nach Wallner, könnten iInnerhalb einer Vorlaufzeit von zwei bis drei Wochen Covid-Maßnahmen in diesen Bereichen fallen, vorausgesetzt vom Bund werden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen.
Öffnungsschritte in der Gastronomie und auch in den anderen Bereichen sind für Wallner aber nur mit Tests denkbar. Er plädiert dafür, auch die Selbsttests, die an Schulen bereits eingesetzt werden, zuzulassen. Nur wenn es dafür grünes Licht aus Wien gebe, sei an ein Öffnen zu denken, so Wallner.
Öffnungsdruck von vielen Seiten
Auch aus anderen Bundesländern ist der Druck auf die Regierung bezüglich Öffnungen Tagen gestiegen. Mehrere Landeshauptleute, neben Mikl-Leitner etwa ihr oberösterreichischer Kollege Thomas Stelzer (ÖVP) und der Burgenländer Hans Peter Doskozil (SPÖ) wollten möglichst schon Mitte des Monats die Gastronomie offen sehen.
Ebenso drängen Sportvereine darauf, Jugendliche wieder ins Training zu lassen, da diese ohnehin in der Schule getestet werden - das freilich mit den nicht sonderlich zuverlässigen Nasenbohr-Tests. Öffnen wollen natürlich auch die Kultureinrichtungen, und der Tourismus hat noch einen Hauch Hoffnung auf ein kleines Ostergeschäft.
Die Idee einer Öffnung in Vorarlberg stößt nun nicht unbedingt auf Gefallen: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) meinte bei einer Pressekonferenz am Montag: "Wenn man über Lockerungen oder vorsichtige Öffnungen nachdenkt, braucht es eine einheitlich bundesweite Strategie." Ähnlich sieht das Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), in der selben Pressekonferenz auf regionale Öffnungen von Hochschulen angesprochen. Er würde "eher" einheitliche Regelungen bevorzugen: "Weil sich das Infektionsgeschehen ja auch verändert und dann ist einmal Kärnten dran, dann vielleicht das Burgenland."
Für eine Regionalisierung sind hingegen die Wirtschaftssprecher der SPÖ, Christoph Matznetter, und der NEOS, Sepp Schellhorn. Wenn man angesichts der Infektionszahlen "jetzt anfängt, auch regional unterschiedlich vorzugehen, ist das mit Sicherheit gescheiter, als immer nur über das ganze Land alles zu verhängen", so Matznetter, der aber angesichts der Fallzahlen und Mutationen befürchtet "dass so rasch Lockerungen nicht möglich sein werden". Und Schellhorn sagte am Rande einer gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Politiker, es wäre ja der Sinn der Coronaampel gewesen, eine Regionalisierung zu ermöglichen. "Wenn das jetzt mit Vorarlberg so durchgezogen wird, dann hätten wir uns einiges erspart".
Pressekonferenz an Nachmittag
Die Entscheidung, wie man weiter vorgeht, wird jedenfalls heute in dem bereits üblichen Gesprächsmarathon fallen. Zunächst trifft die Regierung alleine eine Expertengruppe. Danach werden per Video die Oppositionsparteien zugeschaltet. Schließlich wird mit den Landeshauptleuten konferiert. Am Nachmittag, gegen 17 Uhr, soll das Ergebnis der Gespräche und das weitere Vorgehen öffentlich gemacht werden.
Leitartikel von Köksal Baltaci
>> Bericht in „Vorarlberger Nachrichten"
(red./APA)