Managen in Russland: Nur nicht zu demokratisch

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Noch-Magna-Chef Wolf betritt mit seinem Wechsel an die Spitze von Russian Machines harten Boden. Wolf teilt sich die Führung mit dem jetzigen Generaldirektor Filatov. Als Tandem wird man die Funktionen teilen.

Moskau. „100 Kilometer sind keine Distanz, 100 Jahre kein Alter und 100 Gramm kein Wodka“, sagt der Russe gern, wenn er über die Dimensionen seines Landes spricht. Aber auch in Dutzenden anderen Sprüchen lässt Russland durchblicken, dass seine Menschen angeblich von Grund auf anders sind. Wenn Noch-Magna-Chef Siegfried Wolf in zwei Monaten seinen neuen Job in Russland übernimmt, weiß er, dass die Selbstpräsentation der Russen auch mythenbehaftet ist – teils aber doch auf einige Körnchen Wahrheit gründet.

Wolf kennt das Land nicht nur vom Hörensagen. Schon bisher war er Aufsichtsratschef beim russischen Autohersteller Gaz, der zum Imperium „Basel“ des Multimilliardärs Oleg Deripaska gehört. Künftig wird er Chef von Russian Machines, einer der sechs Divisionen von „Basel“. Wolf teilt sich die Führung mit dem jetzigen Generaldirektor Alexandr Filatov. Als Tandem werde man die Funktionen teilen, sagte Filatov der Zeitung „Wedomosti“: Filatov fürs Operative, Wolf für die Strategie, die die Entwicklung von Partnerschaften mit führenden internationalen Autokonzernen vorsehe.

Tandemführungen werden vermehrt zum nationalen Spezifikum. Das Land selber wird von Wladimir Putin und Dmitrij Medwedjew im Tandem geführt. Langfristig berge das Schwierigkeiten, sagt ein westlicher Manager. Auch Boris Nemsic, früher Chef der Telekom Austria, hatte im April 2009 den zweitgrößten russischen Mobilfunkbetreiber Vimpelcom gemeinsam mit einem Russen übernommen. Im Juni verließ Nemsic die Firma.

Problematische Führungstandems

Analysten hatten Differenzen in der Doppelführung ausgemacht, Nemsic sprach von Unklarheiten über seinen Freiraum, den er nach dem geplanten Wechsel an die Spitze der Vimpelcom-Holding gehabt hätte. Auch dort war ein Tandem geplant. Entscheidend war auch, dass die Aktionäre unzufrieden darüber waren, dass der Konzern unter Nemsic, der wohlgemerkt die Schulden massiv reduzierte, Marktanteile verlor.

„Das russische Business ist übermäßig stressig“, erklärt Anton Storoschenko, Headhunter bei Amrop in Moskau: „Die Besitzer wollen in wenigen Jahren nachholen, wofür der Westen Jahrzehnte brauchte.“ Auch sonst kann Russland ein harter Boden sein, wie das Beispiel des drittgrößten russischen Ölkonzerns TNK-BP zeigt. Weil sich die russischen Anteilseigner im Joint Venture mit BP benachteiligt fühlten, drängten sie Konzernmanager Robert Dudley 2008 aus dem Land und leiten die Firma nun selbst.

Dennoch, ausländische Manager bleiben gefragt. Und Mangelware, wie eine internationale Umfrage des Internet-Recruiters The Network zeigt: 52 Prozent wollen in den USA arbeiten, nur sieben Prozent in Russland. Hohe Lebenshaltungskosten und Sicherheitsbedenken schrecken ab. Dafür locken hohe Löhne und eine mögliche Blitzkarriere.

Weil die Firmen zunehmend Know-how von Ausländern brauchen, lockert die Regierung ihre Einreiseregelungen. 150.000 ausländische Spezialisten arbeiten in Russland. Was russische Firmen besonders macht? „Keine Machtverteilung wie im Westen, der Haupteigentümer übt oft auch die Funktion des Generaldirektors aus“, erklärt Thomas Veraszto, Strategiechef beim Stahlgiganten Severstal. Seit 2003 bekleidet der Burgenländer diese Funktion im Konzern des achtreichsten Russen Alexej Mordaschow: „Die Kunst des Managers besteht darin, Einfluss auf den Eigentümer zu bekommen.“

Manager mahnen zu Bescheidenheit

Auch Johann Jonach spricht von der „hierarchischeren Struktur“: „Die Mitarbeiter zeigen weniger Eigeninitiative. Gibt man zu viel Freiraum, hat das eher einen negativen Effekt.“ Der 48-jährige Kärntner ist Generaldirektor der Bankengruppe innerhalb der russischen Alfa-Group, zu der die größte russische Privatbank „Alfa-Bank“ gehört, und gemeinsam mit Veraszto der höchstdotierte österreichische Manager in Russland.

Beide mahnen ausländische Manager in Russland zur Bescheidenheit: „Viele machen den Fehler und legen den Überwertigkeitskomplex nicht ab“, sagt Veraszto. „Und wer nicht Russisch lernt, ist selten langfristig erfolgreich“, weiß Jonach. Headhunter Storoschenko betont auch: Man müsse sowohl den autoritären wie auch den demokratischen Führungsstil beherrschen: „Ein reiner Demokrat wird hier aufgefressen.“

AUF EINEN BLICK

Die Erfahrungen ausländischer Manager in russischen Konzernen sind gemischt. Manche dieser „Expats“ sind gescheitert.
Noch-Magna-Chef Siegfried Wolf wird bei seinem Wechsel nach Russland im November aber auch auf erfolgreiche österreichische Kollegen treffen.

Zahlreiche Manager berichten von streng hierarchischen Strukturen, mangelnder Gewaltentrennung, hohem Druck der Anteilseigner und der Notwendigkeit, sich selbst einen autoritären Führungsstil anzueignen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2010)

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