Untersuchungsausschüsse

Nach Sobotka-Vorstoß: SPÖ fordert Ausweitung der Wahrheitspflicht

Jörg Leichtfried und Karin Greiner fordern außerdem, dass U-Ausschusssitzungen öffentlich ausgetragen werden.
Jörg Leichtfried und Karin Greiner fordern außerdem, dass U-Ausschusssitzungen öffentlich ausgetragen werden.APA/HELMUT FOHRINGER
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Für die SPÖ ist die von Sobotka in den Raum gestellte Einschränkung der Wahrheitspflicht im U-Ausschuss nicht akzeptabel. Im Gegenteil: Sie sollte in allen parlamentarischen Kontrollausschüssen gelten, so die Forderung.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte mit seinem Vorstoß gegen die Wahrheitspflicht in U-Ausschüssen für Empörung gesorgt. In einem Interview sagte er am Dienstag gegenüber dem TV-Sender „Puls 24“: „Bei uns hat jede Person, die Auskunftsperson ist, eine ungeheure Sorge, dort etwas Falsches zu sagen, weil sie dort unter Wahrheitspflicht steht“.

Die Opposition reagierte erzürnt, von einem „demokratiepolitischen Schurkenstück“ sprach etwa die FPÖ, von einem „erbärmlichen und durchschaubaren Schauspiel“ Neos-Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger und ein „Problem mit der Wahrheit“, das Sobotka habe, ortete die SPÖ. Die legte am Donnerstag nach: In einer Pressekonferenz lehnte sie den von Sobotka eingebrachten Vorschlag klar ab. Mehr noch, sie forderte eine Ausweitung der Wahrheitspflicht auf alle Kontrollausschüsse im Parlament.

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Vizeklubchef Jörg Leichtfried sprach angesichts des Agierens Sobotkas von einem "traurigen Schauspiel“. Sobotka fühle sich nur der "türkisen Familie" verpflichtet und wolle wohl, dass man zukünftig in Ausschüssen lügen dürfe, meinte Leichtfried, sein parteiisches Verhalten sei in der Geschichte der Zweiten Republik einzigartig. Je mehr die ÖVP unter Druck gerate, desto ungenierter agiere er. Sobotka stelle sich auf die Seite der Aktenvernichter und Vertuscher, so der Vize-Klubchef, und nun wolle er den Ministern im Untersuchungsausschuss gar die "Lizenz zum Lügen" erteilen. Von „so hohen Funktionsträgern“ würde man erwarten, dass sie ein klares Bekenntnis zu Demokratie und parlamentarischen Vorgängen abgeben. Aber in diesem Land gebe es „scheinbar keinen Konsens mehr über selbstverständliche parlamentarische Usancen“ - Usancen, die „von der ÖVP sukzessive aufgekündigt werden“, so Leichtfried.

Passus im Strafgesetzbuch ergänzen

Die SPÖ will nun die Wahrheitspflicht erweitern, etwa auch auf dem "kleinen U-Ausschuss", also den Unterausschuss des Rechnungshofausschusses. Konkret solle dies mit einer Änderung des §288 im Strafgesetzbuch geschehen. „Wir wollen“, findet Leichtfried klare Worte, „dass auch dann bestraft wird, wenn vor dem Rechnungshof gelogen wird.“ Lügen müsse generell vor allen Untersuchungsausschüssen strafbar werden, die eine Kontrollfunktion innehaben. Dazu werde die SPÖ einen Antraf einbringen. In der Hoffnung, dass „auch die Grünen da unsere Sicht teilen“.

Zurückzuführen ist diese Forderung auf den Vorwurf der SPÖ, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe im „kleinen U-Ausschuss“ in Sachen 200-Millionen-Euro-Deckel für die Impfstoffbeschaffung Österreichs die Unwahrheit gesagt. Auch SPÖ-Abgeordnete Karin Greiner sah das so: "Die Aussagen des Bundeskanzlers und die Akten widersprechen einander diamentral". Außerdem sprach sich die SP-Fraktion erneut für Öffentlichkeit der U-Ausschusssitzungen aus. „Die Öffentlichkeit soll sehen, wie dort versucht wird, Wahrheit zu verschleiern“, so Greiner.

Vor diesem Hintergrund würde es „ins Sittenbild der Partei“ passen, dass Sebastian Kurz der Forderung des Verfassungsgerichtshofs, er solle die von der Opposition im Ibiza-Untersuchungsausschuss geforderten persönlichen E-Mails vorlegen, nicht gerecht wurde. Das Bundeskanzleramt hatte dem Höchstgericht 692 E-Mails vorgelegt, in denen Mitarbeiter angaben, „keine abstrakt relevanten“ E-Mails gefunden zu haben. Was nicht da sei, könne auch nicht geliefert werden, bekräftigte auch der Bundeskanzler selbst immer wieder. Ab heute berät der Verfassungsgerichtshof, wie es in dieser Causa weitergehe.

Reform der Verfahrensordnung?

Die ÖVP machte sich am Donnerstag für eine Reform der U-Ausschuss-Verfahrensordnung stark und stellte dafür ihren Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl in die Auslage. Dieser sprach in einer Aussendung von einer "negativen Dynamik im aktuellen System". Die SPÖ zeigte sich ablehnend. "Die einzige Partei, die massive Probleme mit dem U-Ausschuss hat, ist die ÖVP", so Leichtfried. Sie wolle die Wirksamkeit der Ausschüsse schmälern.

Gerstl selbst sieht das anders. Ihn stört, dass im Ibiza-Untersuchungsausschuss erstmals die "Abrechnung mit einer gesamten Regierungsperiode" erfolge und es - durch Strafanzeigen aus dem Ausschuss heraus, die Aktenlieferungen der Justiz erzwingen - zur laufenden Kontrolle der Regierungsarbeit komme, wie er erklärte: "Da muss nachgeschärft werden." Er sprach von bewusster politischer Inszenierung, "das wollen die Österreicher nicht".

Dass er dafür kaum die nötige Zweidrittelmehrheit zustande bringen wird, ließ Gerstl nicht gelten. "Auch die Opposition hat mehrere Wünsche", meinte er: "Ich bin sehr aufgeschlossen für mehr Öffentlichkeit, mehr Kontrolle und mehr Persönlichkeitsschutz." Mit den Verhandlungen will er nach Ende des Ibiza-U-Ausschusses beginnen. "Bevor ein neuer eingesetzt wird, sollen schon die neuen Regeln gelten", so seine Zielvorstellung.

(Red./APA)

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