Österreich: „Schutz des Bodens vertraglich absichern“

Laubfrosch
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Dieser Samstag ist nicht nur Pfingstsamstag. Es ist der Tag der Artenvielfalt – Gelegenheit also, die Biodiversität in Österreich unter die Lupe zu nehmen.

Ein Kalendertag, der den Bezug zu einem konkreten Thema umgehängt bekommt, ist entweder ein verdichteter Hinweis, dass etwas im Argen liegt, oder ein Aufbäumen gegen das Vergessen und Verdrängen oder ein Indiz dafür, dass Lobby-Arbeit erfolgreich ist. Dieser Samstag ist also „Tag der Artenvielfalt“. Ein kurzer Blick in Berichte der jüngsten Vergangenheit erleichtert die Antwort, welcher Kategorie der „Tag der Artenvielfalt“ wohl am ehesten zuzuordnen sein möge.

Schau’n wir uns die Fakten an: Rund vier Fünftel aller Tier-, Pilz- und Pflanzenarten weltweit sind wissenschaftlich noch nicht beschrieben. Es gibt teilweise nur lückenhafte Informationen über die Lebensräume. Dazu kommt noch, dass es noch eine nicht näher quantifizierbare Größe gibt – die der noch nicht entdeckten Arten.

100 Quadratmeter Grünland gehen verloren

Österreich ist da keine Ausnahme; erst am Donnerstag hat das Umweltbundesamt eine umfassende Studie veröffentlicht, in der die Bedeutung der Artenvielfalt herausgearbeitet worden ist. Trotzdem sind die Faktoren, die zum Verlust der Arten, nach wie vor nicht entschärft; geschweige denn gelöst. Vor diesem Hintergrund hat der World Wide Fund for Nature (WWF) ein Fünf-Punkte-Programm aufgestellt, das die Politikerinnen in Österreich auffordert, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Am wirksamsten – und wohl auch am schwierigsten umzusetzen – ist es, den „Flächenfraß“, so der WWF, „zu stoppen und geschädigte Lebensräume wiederherzustellen. Das sei ein Gebot der Stunde, denn täglich gingen „fast 100 Quadratmeter wertvollen Grünlands pro Minute verloren“. Deshalb fordert die Organisation einen umfassenden Bodenschutzvertrag, um den Schutz des Bodens vertraglich abzusichern und Trend umzukehren. Das greift in die Raumordnung und das Steuersystem ein, was sowohl die Zuständigkeiten der Gemeinden und Länder, als auch des Bundes umkrempelt.

Ein Drittel unter Schutz stellen

Der WWF tritt außerdem dafür ein, dass ein Zehntel des Staatsgebiets unter signifikanten Schutz gestellt wird. Derzeit sind 2,8 % Österreichs als Nationalpark ausgewiesen, allerdings ist davon nur ein Teil Kernzone, in der wirtschaftliche Nutzung stark eingeschränkt ist. Erst vor kurzem ist Österreich der „High Ambition Coalition for Nature and People” beigetreten. Sie versteht sich als zwischenstaatliche Gruppe. Unter der Führung von Frankreich, Costa Rica und Großbritannien haben sich Dutzende Staaten (unter anderem auch Deutschland und die Schweiz). Eines der Ziele der Koalition ist, sich für eine globale Vereinbarung einzusetzen, durch die mindestens 30 % der Land- und Meeresfläche bis 2030 wirksam unter Schutz gestellt wird.

Die Umweltschützer fordern außerdem, dass „die neue Biodiversitätsstrategie (an der im Umweltministerium derzeit gearbeitet wird, Anm.) nicht wieder zu einem zahnlosen Papiertiger verkommt.“ Schließlich fordert die Organisation noch, Maßnahmen gegen Wilderei zu setzen (auch das angesichts des schwierigen Kompetenz-Wirrwarrs keine einfache Frage, sondern eine neunfach zu beantwortende – weil Länderrecht), und schließlich ein stärkeres Monitoring zu implementieren. Auch für Letzteres gibt es derzeit keinen durchgängigen Ansatz.

Gewessler: Geld für Biodiversität, 120 Einreichungen

Der Naturschutzbund wiederum stellt die Bedeutung der Agrarpolitik, über deren Ausgestaltung gerade verhandelt wird, in den Mittelpunkt. Sie müsse so umgestaltet werden, dass Artenschutz und Vielfalt der Lebensräume möglich werden. Auch der Biodiversitätsrat hat eine ähnliche Einschätzung: „Bei Themen wie dem Flächenverbrauch oder der Industrialisierung der Landwirtschaft kann von einer Trendumkehr keine Rede sein“, heißt es. Franz Essl, Mitglied des Leitungsteams des Biodiversitätsrates fordert, dass sich die Anstrengungen Österreichs zum Schutz der Biodiversität „vervielfachen“ müssen.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht sich am Anfang des Weges: Das Klimaschutzministerium werde den Biodiversitätsfonds für die kommenden Jahre von derzeit fünf Millionen Euro um 50 Millionen Euro aufstocken. Den Tag des Artenschutzes nimmt die Politikerin zum Anlass, eine erste Zwischenbilanz über den Biodiversitätsfonds zu ziehen. „Von der Gemeinde bis zur Universität haben wir schon über 120 Einreichungen für unseren Biodiversitätsfonds erhalten. Das freut mich sehr, denn es zeigt ganz klar: Den Österreicherinnen und Österreichern liegt unser heimischer Naturschatz sehr am Herzen. Und ich bin überzeugt davon, dass es uns gemeinsam gelingen wird, unsere Vielfalt zu schützen und zu erhalten.“

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