Die jüngsten Exzesse der Regierenden gegenüber der Justiz sind eine Gefahr für den Rechtsstaat.
Sabine Matejka, die Präsidentin der Richtervereinigung, meinte zuletzt in einem aufsehenerregenden Interview, von Regierenden könne man erwarten, dass sie den Rechtsstaat stärken und nicht durch fragwürdige Verdächtigungen schwächen. Paradigmatisch führte sie das Verhalten von Finanzminister Gernot Blümel im Verfahren vor dem VfGH als einen Mangel an Respekt vor dem Rechtsstaat an.
Im Gegensatz dazu hat sich der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff, im „Anwaltsblatt“ (Maiheft) dahingehend geäußert, dass zwar strafrechtliche Ermittlungsschritte gegen u. a. den Finanzminister, den ehemaligen Justizminister und nunmehrigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter und den Sektionschef des BMJ Christian Pilnacek eingeleitet worden seien und für mediale Aufregung gesorgt hätten. Ich kritisiere, dass Wolff in seinen fortgesetzten Notationen meinte, „erschreckend daran ist nicht, dass die Strafjustiz ermittelt, sondern dass Informationen über Ermittlungsmaßnahmen wortgetreu in den Medien zu finden sind“. Diese Aussage ist ein unüberlegter Angriff auf die Pressefreiheit. Nicht die Veröffentlichung ist das Problem, sondern was getan worden ist. Darüber muss berichtet werden.
Wolff findet weiters bedenklich, dass Zufallsfunde medialer, vor allem aber strafrechtlicher Verwertung zugeführt werden. Diese Behauptung ist unrichtig, weil nach der StPO die Verwertung von Zufallsfunden grundsätzlich – wenn auch mit Einschränkungen – strafrechtlich geboten ist, überschießend aber m. E. die mediale Verwertung, u. a. im Ausschuss, von nicht strafbaren Umständen des Privatlebens, auch wenn bei Personen des öffentlichen Lebens die Grenze weiter zu ziehen ist. Als Paradigma verweise ich auf die Causa „Hygiene Austria“, die zu einer berechtigten noch nicht strafrechtlich abgeschlossenen Verfolgung geführt hat. Umso bedeutender sind doch Zufallsfunde, wenn dadurch eine schwere kriminelle, mit lebenslänglich bedrohte Strafe verhindert oder aufgedeckt werden kann. In meiner aktiven Zeit habe ich sowohl potenzielle Rechtsbrecher verteidigt als auch Opfer – ich nehme für mich in Anspruch, die Exzesse der Regierenden gegenüber der Justiz als Gefahr für den Rechtsstaat anzuprangern.
Abwehr der Angriffe geboten
Im Unterschied zum Präsidenten der Österreichischen Rechtsanwaltskammer übernimmt die Präsidentin der Richtervereinigung Verantwortung, indem sie das permanente „Anpatzen“ der Justizorgane durch die Regierenden bemängelt.
Ich denke, für die Justizministerin muss die Abwehr der Angriffe jener Partei, die dem Kanzler, dem Finanzminister und sogar dem einflussreichen ehemaligen Sektionschef im Justizministerium zuzuordnen sind, brisanter sein als die Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner.
Justizministerin Alma Zadić hat in der bisherigen kurzen Amtszeit bedeutend mehr Reformen auf den Weg gebracht als alle ihre Vorgänger seit 2000.
Prof. Dr. Nikolaus Lehner (* 1939 in Wien) war 40 Jahre lang als Rechtsanwalt in Wien tätig, spezialisiert auf Kunst, Kultur und Patientenschutz.
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