Recht auf Privatsphäre und Datenschutz sind, so scheint's, abgeschafft. Privatchats zu veröffentlichen erinnert an DDR- und Stasi-Methoden. Oder an Fürst Metternich.
Er verstehe Österreich immer weniger, schreibt der in Wien lebende, deutsche Schriftsteller Joachim Lottmann in der „Welt“. Der popliterarische Borderliner, politisch eher links positioniert, leistet sich offensichtlich den Luxus (partei-)freien Denkens. Von aktuellen Chatabschöpfungsexzessen zieht er eine Schnurgerade zu Metternichs Spitzelmethoden. Auch damals sei es darum gegangen, „sich immer neue Methoden auszudenken, um Briefe abzufangen, heimlich zu öffnen, zu kopieren, auszuwerten, zu interpretieren und der Justiz zu übergeben“. Untersuchungsausschüsse nennt er „eine Art Burgtheater für geltungssüchtige Parteikader“, falsch verstandene Transparenz von Ermittlungen eine „makabre Besonderheit des österreichischen Rechtssystems: Alles Ermittelte sickert innerhalb von Stunden durch in die Medien, und zwar frei von jedwedem schlechten Gewissen oder gar Schamgefühl.“
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Tatsächlich häuften sich zuletzt intime Einblicke vor allem in türkise Familienangelegenheiten und Freundschaftständeleien. Vieles ist dreist, der Umgangston herb, der Humor privat geglaubter Unterhaltungen grottig. Wer aber von sich behauptet, privat noch nie eine halblustige oder despektierliche Nachricht versendet zu haben, ist entweder verlogen, bigott oder dement. Thomas Schmids rohrkrepierter „Reisen mit dem Pöbel“-Scherz ist auch nicht viel skandalöser als der „Oasch“-Ausrutscher der Neos-Abgeordneten Stefanie Krisper vor einem Jahr am Ende eines langen U-Ausschusstags. Krispers Verteidigung: Sie habe das Wort nur als Privatperson genutzt. Aha. Nur: Wer ist in dem U-Ausschuss-Tagungsraum eigentlich wann privat? Und haben nicht gerade die Neos Privatsphäre und Datenschutz abgeschafft, zumindest für Menschen im Dunstkreis der (Regierungs-)Politik?