Das Präsidium wählte Herbert Kickl, bald sollen es die Delegierten tun. Kritikern verspricht der neue designierte FPÖ-Obmann Freiheiten. Die will er sich dann aber auch nehmen.
Herbert Kickl musste Überzeugungsarbeit leisten. Er hatte also Argumente mitgebracht. Für seine tiefe Verbundenheit mit der Partei („Da sind einige Betriebsstunden zusammengekommen“). Für seine Verbindungen zu anderen Parteien („Die gibt es in alle politischen Lager“). Und für seinen Zugang in der neuen Funktion („Führen durch Zulassen“). Fast sechs Stunden lang saß das FPÖ-Präsidium am Montag zusammen. Am Ende einigte man sich auf das, wofür die Mehrheit war und die Minderheit keine Alternative hatte: Kickl wird neuer Obmann der Freiheitlichen. Sechs Tage nach dem Rücktritt von Norbert Hofer ist seine Nachfolge damit erstaunlich schnell geklärt.
Denn dass es in der FPÖ Widerspruch geben würde, war allen Beteiligten klar. Die Frage war nur, ob es in der Parteisitzung auch Gegenstimmen geben würde. Das Präsidium ist ein mächtiges, aber kleines Gremium: Die Landesorganisationen haben ein gewichtiges Wort. Und gerade dort hatte – und hat – Kickl viele Kontrahenten. Oberösterreich, Niederösterreich, die Steiermark und Vorarlberg sprachen sich vor der Sitzung entweder gegen Kickl oder zumindest nicht aktiv für ihn aus. Wie Mario Kunasek, Landesparteichef in der Steiermark: Auf die Frage, ob Kickl der beste Mann sei, antwortete er: „Er ist ein guter Mann. Es gibt aber noch andere Optionen.“
Und dann war da noch ein Überraschungsgast: Eigentlich hatte am Wochenende niemand mit Norbert Hofers Anwesenheit gerechnet. Montagvormittag reiste er aber trotzdem nach Wien. Mit guten Absichten, wie er versicherte: „Ich bin keiner, der irgendjemandem besonders lang böse sein kann.“ Als Dritter Nationalratspräsident gehört Hofer weiterhin dem Gremium an.
Damit war Hofer auch stimmberechtigt – er verließ die Sitzung aber vor der Abstimmung. Offiziell aus Termingründen, womöglich spielt aber auch das FPÖ-Statut eine wichtige Rolle: Enthaltungen werden als Gegenstimmen gezählt. Auch zwei weitere Kickl-Skeptiker stimmten nicht mit ab: Manfred Haimbuchner musste zu einer Landesregierungssitzung nach Oberösterreich. Christof Bitschi flog frühzeitig nach Vorarlberg zurück. Das Präsidium stimmte am frühen Nachmittag damit also nicht in voller Besetzung, aber einstimmig für Kickl.
Wobei Kickl selbst später noch anmerkte: „Das letzte Wort hat der Souverän – und das sind die Delegierten zum Parteitag.“ Am 19. Juni, also schon kommende Woche, sollen sie zusammenkommen. „Erst dann werde ich entsprechend an die Arbeit gehen.“ Überhaupt trat am Montag ein Kickl auf, den man in den kommenden Wochen womöglich noch etwas öfter sehen könnte: ein etwas demütigerer, verbindlicherer – in Bezug auf seine eigene Partei. „Das ist heute kein Tag wie jeder andere“, sagte er. „Es ist durchaus ein bewegendes Ereignis.“
Das Bild: Loyal und bodenständig
Dann wird ein Bild gezeichnet, das wohl die Skeptiker innerhalb und außerhalb der Partei sehen sollen. Die ersten Linien zieht Generalsekretär Michael Schnedlitz: Schon 1995 sei Kickl zur FPÖ gekommen – „mit Jörg Haider hatte er einen Lehrmeister, wie ihn sich viele nur wünschen können“. Wenn es darauf ankomme, gelte Kickls Loyalität aber der Partei, nicht der Person. Das ist wohl auch ein Seitenhieb auf Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache. Genauso wie die Betonung darauf, wie „bodenständig aufgewachsen“ Kickl sei. Erstaunlich lang wird über seine Regierungsarbeit gesprochen – als Signal dafür, dass die FPÖ nicht ewig in der Opposition bleiben soll. Als Innenminister habe Kickl „auch im Lager der ÖVP und SPÖ bewiesen, dass er regierungsfähig ist“. Er könne durchaus mit verschiedenen Parteien. Wobei die Türkisen, findet Kickl, „das größte politische Blendwerk der Zweiten Republik sind“. Der Hauptfeind Herbert Kickls bleibt also derselbe. In den vergangenen 25 Jahren sei er in der Regierung, aber auch in der Opposition gesessen. „Eine Partei braucht für beides ein Profil. Das Problem ist nur, wenn man beides gleichzeitig machen will.“ Gemeint ist Norbert Hofer.
Wobei es innerhalb der Partei – auf verschiedenen Ebenen – durchaus Unterschiede geben soll. Zu einem freiheitlichen Führungsstil gehöre auch, andere Meinungen zuzulassen. Dafür verspricht sich Kickl offenbar Unterstützung aus Oberösterreich. Zumindest fürs Erste will er aber seinen Stil im Bund fortsetzen: „Es können sich alle darauf verlassen, dass ich mich nicht verbiegen werde.“
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2021)