Analyse

Der Libanon steht vor dem Zusammenbruch

APA/AFP/MARWAN TAHTAH
  • Drucken

Die wirtschaftliche und soziale Krise im Libanon wird immer dramatischer. Selbst Krankenhäuser haben keinen Strom mehr. Preiserhöhungen führen zu neuen Protesten

Die Armee im Libanon braucht dringend Geld. Schon seit vergangenem Jahr gibt es in den Kantinen der Kasernen kein Fleisch mehr, weil sich die Streitkräfte das nicht mehr leisten können. Inzwischen ist der Geldmangel so groß, dass die Armee tägliche Hubschrauber-Rundflüge für Touristen anbietet: 15 Minuten für 150 US-Dollar, bar auf die Hand.
Nicht nur die Armee ist pleite. Der Libanon steckt in einer tiefen Krise, die das Leben für Millionen Normalbürger immer schwieriger macht. Vor zwei Jahren war das libanesische Wirtschaftsmodell zusammengebrochen, das auf hohen Dollar-Zuflüssen von ausländischen Investoren basierte. Seitdem geht es steil bergab. Das Bruttoinlandsprodukt ist nach Berechnungen der Weltbank seit 2018 um 40 Prozent geschrumpft.

Inflation liegt bei 120 Prozent

Mehr als die Hälfte der Bewohner des Landes lebt unterhalb der Armutsgrenze, das libanesische Pfund hat seit Herbst 2019 rund 90 Prozent an Wert verloren, die Inflation liegt bei 120 Prozent. Die Weltbank stuft den Kollaps im Libanon als eine der weltweit schlimmsten Wirtschaftskrisen seit dem 19. Jahrhundert ein.
Das Parlament in Beirut gab zwar jetzt rund 470 Millionen Euro für Lebensmittelkarten frei, mit denen die ärmsten Bevölkerungskreise unterstützt werden sollen, doch ein langfristiger Ausweg ist nicht in Sicht. Die politische Klasse, die seit Jahrzehnten die Macht im Land unter Christen, Sunniten, Schiiten und Drusen aufteilt, ist gelähmt.
Die verschiedenen Gruppen klammern sich an ihr traditionelles Patronage-System und verhindern so strukturelle Reformen und eine wirksame Bekämpfung der grassierenden Korruption. Fast ein Jahr nach der schweren Explosion im Hafen von Beirut, die mehr als 200 Menschen tötete und Teile der Innenstadt zerstörte, ist die Katastrophe noch nicht aufgearbeitet.
Zwar trat die Regierung von Premier Hassan Diab nach der Explosion unter dem Druck von Protesten zurück und ist seitdem nur noch geschäftsführend im Amt. Doch Gespräche über die Bildung eines neuen Kabinetts kommen seit Monaten nicht vom Fleck. Der Internationale Währungsfonds hat Verhandlungen über ein neues Hilfspaket für den Libanon abgebrochen.
Unterdessen versinkt das Land immer tiefer in der Hoffnungslosigkeit. Krankenhäuser haben keinen Strom. Weil die staatlichen Devisenreserven dahinschmelzen, werden wichtige Importe wie Medikamente schwierig. Übergangspremier Diab kürzte jetzt die Subventionen für Benzin – als Folge schossen die Preise um mehr als 30 Prozent in die Höhe.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.