Beschlüsse

70 Sitzungen, 400 Entscheidungen: Parlament und Verfassungsgerichtshof ziehen Bilanz

APA/ROBERT JAEGER
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Der Nationalrat zählt einen Rekord bei Sitzungen und Gesetzesbeschlüssen. Auch parlamentarische Anfragen gab es so viele wie nie. Der VfGH hat in seinen Beratungen mehr als 400 Entscheidungen getroffen.

Der Nationalrat ist noch nie so oft zu Sitzungen zusammengetreten und hat noch nie so viele Gesetzesbeschlüsse gefasst wie im vergangenen Arbeitsjahr. Das zeigt die Bilanz der Tagung 2020/21, die am Montag zu Ende geht. Die letzten Sitzungen waren Mittwoch und Donnerstag abgehalten worden. Auch die Zahl der schriftlichen Anfragen ist einmal mehr nach oben gegangen und hat erstmals die 4000er-Marke gerissen.

Außergewöhnlich hohe Werte sind gemäß einer Bilanz der Parlamentskorrespondenz auch bei der Zahl der Sondersitzungen und bei den Misstrauensanträgen zu verzeichnen. Hier schlägt allerdings nicht alleine die Corona-Krise zu Buche, auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss und der Terroranschlag in Wien haben ihre Spuren hinterlassen.

70 Sitzungen, 332 Stunden - und viele Sondersitzungen

Insgesamt trat der Nationalrat in der Tagung 2020/21 zu 70 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von rund 332 Stunden zusammen. Das sind um 20 bis 30 Sitzungen mehr als in normalen Arbeitsjahren, wobei darunter auch Zuweisungssitzungen fallen, die nur wenige Minuten dauern. Dabei wurden 231 Gesetze beschlossen sowie 15 Staatsverträge und eine Vereinbarung mit dem Land Oberösterreich genehmigt. Von den Gesetzen befassten sich rund 40 Prozent mit Corona. 38 Prozent der Gesetzesbeschlüsse erfolgten einstimmig.

Dass die Tagung eine ungewöhnliche war, zeigt auch die hohe Zahl an Sondersitzungen. Gleich an 13 Tagen traten die Abgeordneten außerhalb des Arbeitsplans zusammen, wobei zwei dieser außertourlichen Sitzungen - eine nach dem Terroranschlag in Wien, eine zur Reparatur eines fehlerhaften Gesetzesbeschlusses - vorab einvernehmlich vereinbart worden waren. Drei gingen auf Verlangen der Regierungsparteien zur beschleunigten Beschlussfassung von Corona-Gesetzen zurück, die übrigen acht wurden von der Opposition in die Wege geleitet, wobei sich SPÖ, FPÖ und Neos viermal zusammenschlossen.

Zu den Plenarsitzungen kommen 188 Ausschusssitzungen, 33 Unterausschusssitzungen und 43 Sitzungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses, der nächste Woche noch zu einer weiteren Befragung zusammenkommt.

Auf Verlangen der Opposition diskutierte der Nationalrat über elf Dringliche Anfragen sowie fünf Dringliche Anträge und hielt zwölf Kurzdebatten zu Anfragebeantwortungen und Fristsetzungsanträgen ab. Dazu kommen drei Kurze Debatten über die - von SPÖ und Neos vergeblich beantragte - Verlängerung des Ibiza-Untersuchungsausschusses.

Misstrauensanträge und Anklagen

Gleich zwölf Mal wollte zumindest eine Oppositionspartei die Abberufung eines Regierungsmitglieds bzw. der gesamten Regierung erzwingen. Die meisten der Anträge wurden von der FPÖ eingebracht, dreimal schlossen sich SPÖ, FPÖ und Neos zusammen, ein Antrag ist auf das Konto der SPÖ zu verbuchen. Adressat von je vier Misstrauensanträgen waren Finanzminister Gernot Blümel und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP), die übrigen waren gegen die gesamte Regierung (2), Bundeskanzler Sebastian Kurz (1) und Verteidigungsministerin Claudia Tanner (1) (beide ÖVP) gerichtet.

Die FPÖ startete zudem zwei Versuche, den später zurückgetretenen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Zwei weitere angestrebte Ministeranklagen waren gegen Finanzminister Blümel sowie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) gerichtet. Alle fanden keine Mehrheit.

Rekord bei schriftlichen Anfragen

Einen Rekordwert hat die Zahl der schriftlichen Anfragen erreicht. Exakt 4088 Anfragen haben die Abgeordneten bis Donnerstagabend an Regierungsmitglieder eingebracht. Dazu kommen 21 Anfragen an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), drei Anfragen an Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker und drei Anfragen an die jeweiligen Vorsitzenden des Finanz-, Kultur- und Umweltausschusses.

Mehr als die Hälfte der Anfragen geht auf das Konto der FPÖ (2118), gefolgt von der SPÖ (993) und den Neos (909). Von den Grünen wurden 42 Anfragen gestellt, von ÖVP-Abgeordneten 24, zwei waren fraktionsübergreifend. An der Spitze der AnfragestellerInnen liegt auch heuer wieder FPÖ-Abgeordneter Michael Schnedlitz, wobei sich unter den 250 von ihm eingebrachten Anfragen auch Serienanfragen an alle Ministerien befinden. Dahinter rangieren Neos-Mandatar Gerald Loacker (208) sowie die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (201).

Was die Adressaten der Anfragen betrifft, hat das Sozial- und Gesundheitsministerium - wohl coronabedingt - das Innenministerium überholt und liegt nun mit 782 Anfragen deutlich voran. Hinter dem Innenressort (555) folgen das Justizministerium (358) und das Finanzministerium (312).

VfGH traf über 400 Entscheidungen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seinen kürzlich beendeten Beratungen mehr als 400 Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen, darunter auch welche zu COVID-19-Regelungen, werden nun nach und nach ausgefertigt und den Verfahrensparteien zugestellt. Erst danach werden sie veröffentlicht. Am Freitag bereits veröffentlicht hat der VfGH eine Entscheidung über einen Asylfall und eine zum Privatschulgesetz. Eine Eintragung ins Personenstandsregister wird geprüft.

Nach der Beschwerde einer Frau, deren Partnerin ein Kind zur Welt gebracht hat und die im Sinne des ABGB als "anderer Elternteil" in das Zentrale Personenstandsregister eingetragen werden möchte, leitet der VfGH ein Gesetzesprüfungsverfahren ein. Der Magistrat der Stadt Wien hat diese Eintragung abgelehnt, weil gemäß Par. 144 Abs. 2 ABGB eine Frau, die mit der Mutter eines Kindes zum Zeitpunkt der Geburt in eingetragener Partnerschaft lebt, nur dann als Elternteil gilt, wenn an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist (also nicht auch bei natürlicher Zeugung des Kindes). Die zu überprüfende Regelung scheint dem VfGH laut Aussendung insofern gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen, als die Elternschaft einer Frau als "anderer Elternteil" nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass an der Mutter vor der Geburt eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt wurde. Für die Elternschaft des Mannes in einer verschieden geschlechtlichen Beziehung gilt keine solche Beschränkung.

Wird ein Kind durch natürliche Fortpflanzung in eine eingetragene Partnerschaft zweier Frauen geboren, wird die Eintragung der Partnerin der Mutter als "anderer Elternteil" auch dann verwehrt, wenn der biologische Vater unbekannt ist. Dies dürfte laut VfGH ebenso gleichheitswidrig sein. Ob diese Bedenken zutreffen, wird das Höchstgericht in dem nun eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren entscheiden.

Schon entschieden hat der VfGH, dass ein litauischer Staatsbürger keine Möglichkeit hat, in Österreich einen Asylantrag zu stellen. Der Mann hatte sich in seinem Antrag darauf berufen, als Jude und Menschenrechtsaktivist wegen der Zerstörung einer Gedenktafel für einen General, der im Zweiten Weltkrieg mit den Nationalsozialisten kollaboriert habe, in seinem Heimatland verfolgt zu werden. In seiner Beschwerde an den VfGH erhob der Litauer den Vorwurf, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Verhältnisse in Litauen nicht angemessen geprüft habe; insbesondere habe es das BVwG unterlassen, Berichte über die bedenkliche Lage von Jüdinnen und Juden in Litauen zu berücksichtigen. Der VfGH sieht aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass das BVwG willkürlich gehandelt hätte und verweist auch darauf, dass die EU-Mitgliedsstaaten füreinander als sichere Herkunftsländer gelten.

Entschieden hat der VfGH auch, dass eine Bestimmung des Privatschulgesetzes, wonach Lehrer an Privatschulen unabhängig von der Unterrichtssprache Deutschkenntnisse zumindest auf dem Niveau von C1 nachweisen müssen, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Diese Regelung gilt zwar nicht für Lehrkräfte an bestimmten internationalen Privatschulen, doch lässt diese Ausnahme unberücksichtigt, dass es noch weitere Privatschulen gibt, die ebenfalls einen international ausgerichteten Lehrplan und ein spezifisch fremdsprachiges Bildungsangebot aufweisen. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist für den VfGH nicht erkennbar.

(APA)

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