Bevölkerungsforschung

Chinesische Genfirma BGI dementiert Zusammenarbeit mit Militär

Junge schwangere Frau mit Schmerzen am Arbeitsplatz Bonn Deutschland *** Young pregnant woman in pain at work Bonn Germ
Junge schwangere Frau mit Schmerzen am Arbeitsplatz Bonn Deutschland *** Young pregnant woman in pain at work Bonn Germimago images/photothek
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Die Firma BGI soll den pränatalen Test gemeinsam mit dem chinesischen Militär entwickelt haben. Mehr als acht Millionen Genuntersuchungen wurden mit dem „Nifty"-Test bereits vorgenommen. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

Die chinesische Genfirma BGI Group nutzt Reuters-Recherchen zufolge einen zusammen mit dem chinesischen Militär entwickelten Test für Schwangere, um Gendaten von Millionen Frauen weltweit zu sammeln und auszuwerten. Diese Daten werden für umfassende Forschungen zu den genetischen Eigenschaften von Bevölkerungsgruppen genutzt, wie aus Unternehmensangaben und einer Reuters-Analyse wissenschaftlicher Studien hervorgeht. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

„BGI wurde nie gebeten, Daten aus seinem NIFTY-Test für Zwecke der nationalen Sicherheit oder der nationalen Verteidigungssicherheit an chinesische Behörden weiterzugeben, und hat dies auch nicht getan“, hält das Unternehmen fest.

Die Berichte haben Besorgnis sowohl in den USA als auch Deutschland ausgelöst - zumal sich die Tonlage in den Beziehungen zwischen westlichen Regierungen und vor allem den USA und dem kommunistischen China in den vergangenen Monaten verschärft hat.

„Der Test wurde von BGI alleine entwickelt"

Der Vorgang wirft zudem ein Licht auf den generellen Umgang mit Medizindaten durch Regierungen und Konzerne weltweit, zumal zunehmend Künstliche Intelligenz benutzt wird, um Daten auszuwerten. Die US-Regierung sieht in den Bemühungen von BGI, menschliche Gendaten zu sammeln und zu analysieren, eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.

„Entgegen den Behauptungen von Reuters wurde der NIPT-Test von BGI allein entwickelt - nicht in Partnerschaft mit Chinas Militär“, schreibt BGI in einer Aussendung.  Auch den Datenabfluss bestreitet das Unternehmen. Demnach werden DNA-Daten, die bei pränatalen Tests an Frauen außerhalb Chinas gesammelt wurden, nicht in Chinas Genbank gespeichert: „Alle im Ausland gesammelten NIPT-Daten werden im BGI-Labor in Hongkong gespeichert und nach fünf Jahren vernichtet, „wie es die General Data Protection Regulation (GDPR) vorschreibt".

In Deutschland gibt es zudem Kritik an einem möglichen Datenabfluss. "Dieser Test darf künftig in Deutschland nur angewendet werden, wenn sichergestellt ist, dass die verwendeten Daten im Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung verbleiben", sagte etwa der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff am Freitag zu Reuters.

Meistverkaufter nicht-invasiver Test

Chinas größtes Genomik-Unternehmen BGI begann 2013 mit der Vermarktung des Pränatal-Tests im Ausland. 2014 erging die Zulassung der chinesischen Lebens-und Arzneimittelbehörde. Unter dem Markennamen Nifty gehört er zu den meistverkauften nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) der Welt. Dabei wird eine Blutprobe einer schwangeren Frau untersucht, um Anomalien wie das Down-Syndrom beim sich entwickelnden Fötus festzustellen. Bislang wurden laut BGI weltweit mehr als acht Millionen Frauen getestet. Nifty wird in mindestens 52 Ländern verkauft, darunter in Deutschland, Kanada, Australien, Thailand und Indien, aber nicht in den Vereinigten Staaten.

BGI verwendet übrig gebliebene Blutproben, die an sein Labor in Hongkong geschickt werden, um anonymisierte genetische Daten für Bevölkerungsforschung einzusetzen, bestätigte das Unternehmen. Nach Informationen von Reuters befinden sich die genetischen Daten von mehr als 500 Frauen auch aus Europa und Asien, die den Test benutzt hatten, auch in der von Chinas Regierung finanzierten China National GeneBank.

Reuters fand keine Beweise dafür, dass BGI gegen Datenschutzvereinbarungen oder -bestimmungen verstoßen hat. Das Unternehmen betonte, es hole eine unterzeichnete Zustimmung ein und vernichte Proben und Daten aus Übersee nach fünf Jahren. "Zu keinem Zeitpunkt während des Test- oder Forschungsprozesses hat BGI Zugriff auf identifizierbare persönliche Daten", erklärte das Unternehmen.

Weitergabe der Daten, wenn „direkt relevant für nationale Sicherheit"

Die Datenschutzrichtlinien des Tests besagen jedoch, dass die gesammelten Daten weitergegeben werden können, wenn sie "direkt relevant für die nationale Sicherheit oder die nationale Verteidigungssicherheit" in China sind. BGI erklärte, dass es "niemals darum gebeten wurde, Daten aus seinen Nifty-Tests für die nationale Sicherheit oder die nationale Verteidigung an chinesische Behörden weiterzugeben - noch hat es diese Daten zur Verfügung gestellt." Chinas Außenministerium erklärte, die Reuters-Recherchen spiegelten "grundlose Anschuldigungen und Verleumdungen" der US-Behörden wider.

Das U.S. National Counterintelligence and Security Center, das schon früher vor dem Sammeln von Gesundheitsdaten durch chinesische Firmen gewarnt hatte, zeigte sich besorgt über den Datentransfer nach China. So könnten "genetische und genomische Daten aus der ganzen Welt gesammelt werden", erklärte das Zentrum. Andere Firmen, die solche pränatalen Tests verkaufen, verwenden ebenfalls Daten für die Forschung. Auch zahlreiche amerikanische IT-Konzerne sammeln und verarbeiten weltweit Gesundheitsdaten von Menschen - auch aus Deutschland.

Aber keiner von ihnen operiere bei Gen-Daten in der Größenordnung von BGI, sagten Wissenschafter und Ethiker. Und keiner habe wie BGI Verbindungen zu einer Regierung oder dem nationalen Militär.

BGI begann 2010 mit chinesischen Militärkrankenhäusern zusammenzuarbeiten, um die Genome von Föten zu untersuchen. Die Firma hat mehr als ein Dutzend gemeinsamer Studien mit Forschern der Volksarmee veröffentlicht, um seine pränatalen Tests zu testen und zu verbessern, wie die Reuters-Überprüfung von mehr als 100 öffentlichen Dokumenten zeigte.

Regelung gegen unerlaubten Datenfluss gefordert

Der FDP-Politiker Lambsdorff forderte eine gesetzliche Regelung gegen unerlaubten Datenabfluss. "Das gilt sowohl für den eigentlichen Test als auch für die nachgelagerte Verarbeitung weiterer Datensätze, die aus diesem gewonnen wurden. Das ist exakt die Regelung, die in China selber gilt", sagte er. Die kommunistische Regierung in Peking hatte angeordnet, dass Daten chinesischer Bürger das Land nicht ohne Kontrolle verlassen dürfen. Dies betrifft nicht nur Gesundheitsdaten, sondern etwa auch die bei der Erforschung des autonomen Fahrens anfallenden Informationen.

Auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz mahnte zur Vorsicht. "Daten über unsere Gesundheit sind sehr sensible Informationen. Deshalb sind sie laut der europäischen Datenschutz-Grundverordnung als besonders schützenswert. Das gilt auch bei Datentransfers in Länder außerhalb der EU", sagte ein Sprecher auf Anfrage, ohne zu dem konkreten Fall Stellung zu nehmen.

(Reuters)

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