Mein Freitag

Der Wind trägt dich wieder zurück ans Ufer

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TOPSHOT-GREECE-WEATHER-HEATWAVEAPA/AFP/SAKIS MITROLIDIS
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Ein kleiner Punkt am Horizont: Er könnte Hilfe brauchen, vielleicht aber auch nicht.

Der Kiter draußen am Meer wird ein immer kleinerer Punkt am Horizont. Dann macht er kehrt und kommt wieder näher. Man sieht seinen Manövern zu. Der Wind ist böig und stark. Immer wenn er knapp auf Linie seines Ausgangspunkts am Strand zu kommen scheint, treibt ihn der Wind nach der nächsten Wende seitwärts. „Er schafft es nicht zurück“, sagt ein Beobachter. „Es geht ihm gut“, meint ein anderer. „Er will gar nicht ans Ufer.“

Sie haben nichts ausgemacht, kein Zeichen, ob alles okay ist oder ob Hilfe benötigt wird. Es ist ein einsamer Strand, es gibt kein Motorboot, keinen Lifeguard. Man ist nicht gern diejenige, die sich Sorgen macht. In einem Gedicht der britischen Lyrikerin Stevie Smith, „Not Waving But Drowning“, ertrinkt ein Mann, nachdem seine furiosen Handbewegungen in der Ferne am See als fröhliches Winken missverstanden worden sind. Der Kiter kommt wohlbehalten ans Ufer zurück. Er sagt, es sei großartig gewesen.

Im griechischen Dorf hat sich nicht viel verändert. Einige Tavernen haben nicht mehr aufgesperrt. Die Maskenpflicht wird eisern eingehalten. Man braucht die Urlauber. Ist der Sommer gut, kommt man auch über den Winter. „Es ist ein einsamer Ort“, sagt der Techniker, der das Modem repariert. Im Winter habe fast alles geschlossen, es gebe kaum etwas zu tun. „Und ich friere.“ Bei durchschnittlich 15 Grad? Man ziehe keine Kleidung an „wie ihr“, sagt er. Keine winddichten Jacken, keine Hauben. „Wir sind Griechen.“ Hier trägt man keinen Pullover, wenn es kalt ist.

Er hat schon ein paar Mal Österreich besucht. „Alles ist dort am richtigen Platz“, sagt er. Sogar beim Müll. Wir kommen hierher, um in der Unordnung etwas Leichtigkeit zu finden. „Schau dir doch unsere Müllhalden an“, sagt er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2021)

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