Afghanistan-Krise

Grüner Vize-Chef: Sager von Kurz ist „Schaden für die Republik“

Die Grünen halten sich mit offener Kritik gegenüber dem Koalitionspartner eher zurück. Nun meldeten sich per Aussendung zu Wort.
Die Grünen halten sich mit offener Kritik gegenüber dem Koalitionspartner eher zurück. Nun meldeten sich per Aussendung zu Wort. APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM
  • Drucken

Sollen Menschen weiterhin nach Afghanistan abgeschoben werden? Und schutzbedürftige Menschen aus dem Land aufgenommen werden? Fragen wie diese spalten derzeit die Koalition. Für Zündstoff sorgt nun auch die Causa Chorherr.

In der türkis-grünen Koalition gibt es weiter offene Streitereien über den Umgang mit der Situation in Afghanistan. Nachdem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Wochenende bekräftigt hatte, keine zusätzlichen Flüchtlinge freiwillig aufnehmen zu wollen, plädierten am Montag die Grünen für eine „europaweite Initiative zur humanitären Aufnahme von Schutzsuchenden“.

Österreichs Anstrengungen müssten sich auf die Hilfe in Afghanistan, die Versorgung der Geflüchteten in den Nachbarstaaten und die sofortige Evakuierung all jener, die um ihr Leben fürchten müssen, konzentrieren, hieß es in einer Aussendung der Grünen. „Europa trägt hier klar Verantwortung.“ Dazu brauche es eine europaweite Initiative. Österreich müsse dafür die nötigen Ressourcen und Expertise zur Verfügung stellen und bereits laufende Familienzusammenführungen abschließen.

Grüne Landesparteien erbost

Aus den grünen Landesparteien kam teils deutliche Kritik an der ÖVP. Die Aussagen von Kurz zu Afghanistan seien „eigentlich ein Schaden für die Republik Österreich“, sagte Oberösterreichs Grünen-Chef Stefan Kaineder am Montag zu „Puls24“. Der Landespolitiker ist auch Stellvertreter von Bundessprecher Werner Kogler. Kurz' Weigerung, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen, seien „ein Stück unseriös“, meinte Kaineder. Österreich nehme Asylanträge entgegen, dazu sei man auch verpflichtet „und das werden wir auch weiterhin tun“.

Kurz hatte erklärt, Österreich beherberge bereits eine der größten afghanischen Communitys Europas. Er sei deshalb „nicht der Meinung, dass wir in Österreich mehr Menschen aufnehmen sollten“.

Aus Tirol kam ebenfalls Kritik an der ÖVP: „Kurz muss auf den Boden der Menschenrechte zurück. Er verbreitet völlig inhumane Botschaften, die aber mit der Realität des Rechtsstaates nichts zu tun haben“, sagte Gebi Mair, Klubobmann der Tiroler Grünen.

Den Parteiaustritt der früheren Wiener Parteichefin Birgit Hebein, die diesen Schritt mit der Flüchtlingspolitik begründet hatte, wollte die grüne Bundespartei am Montag nicht kommentieren.

Causa Chorherr birgt neuen Konfliktstoff

Dafür sorgt ein anderes Thema für Zündstoff: Die Causa Chorherr. Nach einem Bericht des Nachrichtenmaganzins "profil" sollen Mails von Immo-Investor Michael Tojner auf einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Widmung des Heumarkt-Projekts im Wiener Gemeinderat und einer 5000-Euro-Spende an den Schulprojekts-Verein des ehemaligen Wiener Planungssprechers der Grünen, Christoph Chorherr, hindeuten.

Daraufhin warf am Sonntag der türkise U-Ausschuss-Fraktionschef Andreas Hanger den Grünen eine möglicherweise gekaufte Politik während ihrer Regierungsbeteiligung in Wien vor. Das wiederum wertete Kaineder am Montag als leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver. "Die Grünen haben im U-Ausschuss einen ganzen Berg an schwarz-blauen Fragwürdigkeiten abgetragen und die ÖVP wirft jetzt mit Kieselsteinen zurück", so Kaineder.

Haimbuchner: Flüchtlinge direkt an Grenze abweisen

Aber zurück zur Flüchtlingspolitik: Der oberösterreichische FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner forderte am Montag, Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen. Und zur "Wahrung der nationalen Sicherheit" sowie der "Ruhe und Ordnung" will er straffällige Migranten, die nicht abgeschoben werden können, in Anhalte-Zentren festsetzen.

Ganz anders der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der an die Bundesregierung appellierte, zumindest einigen besonders gefährdeten Menschen aus Afghanistan in Österreich Schutz und Zuflucht zu gewähren. Hilfe vor Ort in der Region und die legale sowie über das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR geregelte Aufnahme von Menschen in Österreich dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es brauche beides, heißt es in einer Erklärung des ÖRKÖ-Vorstands.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im ORF-"Sommergespräch"
Afghanistan-Krise

"Aus 2015 nichts gelernt": ÖVP erteilt Rendi-Wagner Absage

Die SPÖ-Chefin hatte sich für die Rettung besonders gefährdeter Menschen aus Afghanistan ausgesprochen. Richterinnen, Frauenrechtlerinnen und Journalistinnen zum Beispiel, deren Einsatz für die westlichen Werte riskant sein könnte.
Ziel sei, so der Außenminister, jeden Österreicher und jeden, der einen Aufenthaltstitel für Österreich habe, so bald wie möglich aus dem Land herauszuholen.
Afghanistan-Krise

"Helfen vor Ort": Schallenberg bekräftigt Nein zu Aufnahme von Afghanen

Die jüngste Kritik grüner Spitzenvertreter, die den Kurs der ÖVP zuletzt etwa als „Schande" bezeichnet hatten, weist der Außenminister zurück. Er störe sich an der „abwertenden Tonalität“ in der Diskussion.
Vizekanzler Werner Kogler und Landerat Johannes Rauch (beide Grüne) im Zug zwischen Dornbirn und Bludenz, aufgenommen 2019.
Afghanistan

"Schadet Ansehen": Kogler vermisst Menschlichkeit bei ÖVP

Der Vizekanzler meldet sich in der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan zu Wort. Er will nicht "über rechtlich Unmögliches“ diskutieren. Der ÖVP-Klubchef weist Kritik an der türkisen Haltung zurück.
Vorarlbegs Grünen-Landesrat Johannes Rauch findet deutliche Worte.
Kritik

Grüner Landesrat: Afghanistankurs der ÖVP "eine Schande"

Die europäischen Staaten sollten sich gemeinsam daran machen, gefährdete Gruppen „aktiv aus Afghanistan herauszuholen", sagt Johannes Rauch und stellt sich damit gegen den Koalitionspartner.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Eröffnung des Europäischen Forum Alpbach
Forum Alpbach

Van der Bellen ruft zur Aufnahme von Afghanen auf

Die EU sei verpflichtet, jenen Schutz zu bieten, die ihr Land verlassen müssen, sagt der Bundespräsident. An der Spitze sollten Frauen und Mädchen stehen, die "unsere Freunde sind".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.