Vorarlberg

Extremer Fall von Cyber-Mobbing unter Schülerinnen

imago images / Thomas Eisenhuth
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Ein Mädchen an einer Mittelschule erhielt wochenlang über Instragram üble Beleidigungen, ja wurde sogar mit dem Tod bedroht. Unter Verdacht geriet eine Klassenkollegin mit Migrationshintergrund. Dann wendete sich das Blatt dramatisch.

Über einen dramatischen, womöglich in Österreich bisher einzigartigen Fall von Cyber-Mobbing - also etwa Einschüchterung, Bedrohung, Verleumdung, Belästigung per sozialer Medien - berichteten die „Vorarlberger Nachrichten" (VN) in der Nacht auf Samstag. Die Sache habe sich demnach bereits im Herbst 2020 zugetragen und wurde erst jetzt bekannt, weil eine Anwältin damit an die Öffentlichkeit ging.

Betroffen waren laut VN im Kern zwei Schülerinnen an einer nicht genannten Mittelschule im Vorarlberger Oberland - darunter wird im allgemeinen die Südhälfte des Landes ab dem Kummenberg bei Götzis mit den Bezirken Feldkirch und Bludenz verstanden.

„Fall Leila"

Die Sache begann demnach vorigen Herbst, als ein einheimisches Mädchen, das als Alias-Name mit „Anna" bezeichnet wird, auf ihr Handy teils unfassbar grauenhafte Botschaften über die Plattform Instagram erhält. Die Sache zieht sich über Wochen hin, Absender sind klar erkennbar Fake Accounts unbekannter Personen. Es geht um Beleidigungen und Bedrohungen, sogar mit körperlicher Gewalt, Vergewaltigung und bis hin zum Mord.

Da einige dieser Nachrichten mit „LG Leila" (LG steht für Liebe Grüße, der Name Leila ist ebenfalls ein Pseudonym im VN-Artikel, Anm.) unterzeichnet sind, fällt der Verdacht bald auf ein Mädchen mit diesem Namen, das mit Anna in der Klasse ist. Leila war vor etwa zehn Jahren mit ihren Eltern nach Österreich eingewandert und hat mehrere Geschwister. Wie die VN berichten, war bis zum Vorjahr alles okay, Leila sei in der Klasse akzeptiert gewesen und habe Freundinnen gehabt.>>> Cybermobbing: Das hinterlässt keine blauen Flecken

Mit den Drohungen, die Anna erhielt, änderte sich das bald. Deren Mutter erhob bei der Polizei Anzeige, Leila wurde wegen der besagten „Grüße" als Quelle der Nachrichten vermutet. Die Sache wurde an der Schule publik, angeblich stellte eine Lehrerin das Mädchen vor versammelter Klasse zur Rede und sie wurde für einen Monat vom Unterricht suspendiert. Sie bestritt indes die Vorwürfe und konnte erst nach diversen Interventionen wieder am pandemiebedingten Online-Unterricht teilnehmen, allerdings in einer anderen Klasse.

Hexenjagd beginnt

Laut VN begann derweil eine regelrechte Hexenjagd auf Leila. Ihre Familie habe Drohungen erhalten, Unbekannte randalierten vor dem Wohnhaus, zündeten dabei sogar eine Matratze an. Die jüngeren Geschwister des Mädchens seien von Autos verfolgt worden.

Bei einer Hausdurchsuchung, die die Staatsanwaltschaft in den Räumlichkeiten von Leilas Familie angeordnet hatte, fanden sich indes keine Hinweise auf eine Verwicklung in das Cyber Mobbing - insbesondere nicht in den Handys und Computern der Familienmitglieder. Also ließ die Justiz durch Mobilfunkbetreiber und die Plattform Instagram selbst Nachforschungen anstellen, woher, also letztlich von welchen Geräten, die Nachrichten denn in Wahrheit gekommen waren.

Und dabei platzte dann sozusagen eine Bombe: Über die IP-Adressen konnten fast alle dieser Drohnachrichten nämlich dem Internetanschluss von Annas Familie zugeordnet werden. Wenig später fand man an der dortigen Wohnadresse zwei Smartphones, die dem Mädchen gehörten und mit denen die Nachrichten geschrieben worden waren. Es hatte sich also offenbar selbst bedroht, aber damit absichtlich Leila „angepatzt".

Noch nicht strafmündig

Da besagte Anna zu dem Zeitpunkt noch unter 14 Jahren alt gewesen war, war sie juristisch nicht strafmündig. Das Verfahren gegen sie wegen Verleumdung, Fälschung eines Beweismittels und falscher Zeugenaussage musste also eingestellt werden.

Andrea Höfle-Stenech, die Anwältin, die das anfangs verdächtigte Mädchen Leila vertreten hatte, erhebt via VN schwere Vorwürfe: Für Leilas Familie sei die Causa „der blanke Horror" gewesen. Die Mittelschülerin habe Albträume, Kopf- und Bauchschmerzen und befinde sich in psychiatrischer Behandlung. Auch ihre Mutter fühle sich krank.

Jüngerer Schwester angeblich Schulwechsel verwehrt

Laut der Juristin habe die Verleumdung sogar weitere Kreise gezogen, wodurch letztlich eine jüngere Schwester Leilas Probleme bekommen habe: Dieser sei im Februar der Wechsel von der Volksschule in die betroffene Mittelschule verwehrt worden, mit der Begründung, dass man „nicht noch einmal so einen Fall wie den von Leila in der Schule haben möchte". Über die Schule selbst und die beteiligten Personen will sie indes, auch aus Jugendschutzgründen, keine Angaben machen.>>> „Spiel weniger am Handy“ wird nicht reichen [premium]

Bis zu 70 Stunden pro Woche verbringen Kinder vor dem PC und am Handy. Die Mediennutzung von 16- bis 18-Jährigen hat einen neuen Höchststand erreicht. Das birgt eine Vielzahl von Gefahren.

Anlaufstellen

Für die Familie und Höfle-Stenech gibt es keine Erklärung für den unglaublichen Mobbing-Fall. Sie vermuten schlicht Fremdenhass und Rassismus. Laut Kinder- und Jugendanwalt sowie der Vorarlberger Bildungsdirektion, so die Anwältin, habe es so einen krassen Fall auch anderswo in Österreich vermutlich noch nie gegeben, jedenfalls nicht bekanntermaßen.„Digitale Medien und Neue Autorität.
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(Red.)

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