Michael Linhart, zuletzt Botschafter in Paris und davor Generalsekretär des Außenamts, musste Sonntagabend in nur 90 Minuten entscheiden, ob er Chefdiplomat werden will. Zur Angelobung flog der 63-Jährige erst Montagfrüh.
Viel Bedenkzeit hatte Michael Linhart nicht. Er war eben erst mit dem Auto von einem Wanderwochenende aus Vorarlberg mit ein paar Bergkäse-Rationen für den nahenden Staatsfeiertag nach Paris zurückgekehrt, als am Sonntag um 17 Uhr bei ihm in der Botschafterresidenz das Telefon läutete. Der zu diesem Zeitpunkt erst designierte Kanzler, Alexander Schallenberg, rief an, um zu fragen, ob Linhart ihm als Außenminister nachfolgen wolle. Eineinhalb Stunden lang beriet sich der Diplomat mit seiner Familie, dann sagte er zu und buchte noch um 22 Uhr seinen Flug.
Um 4.45 in der Früh brach Linhart mit seiner Frau Silvia, einer pensionierten AHS-Lehrerin, aus Paris auf, um zur Angelobung nach Wien zu fliegen. Ohne vorherige Unterredung ernennt das Staatsoberhaupt normalerweise niemanden zum Minister. Doch diesmal verzichtete der Bundespräsident auf ein Vieraugengespräch mit Linhart. Er kennt den Botschafter schon lang. Deshalb beließ er es bei einem lockeren Plaudern mit Schallenberg, Linhart und Vizekanzler Werner Kogler. Um 13.10 Uhr war es dann soweit: „Ich gelobe“, sprach Linhart im Maria-Theresien-Zimmer und trat sein neues Amt als 21. Außenminister der Zweiten Republik an.
„Wenn man etwas für Österreich tun kann“
So manche hatten sich nach der überraschenden Rochade im Kanzleramt am Samstagabend selbst ins Spiel als Chefdiplomaten gebracht. Ernsthaft im Rennen waren am Ende nur zwei Personen: Der frühere Regierungssprecher und amtierende Generalsekretär des Außenamts Peter Launsky-Tieffenthal – und Michael Linhart. Die beiden schätzen einander seit mehr als drei Jahrzehnten. Es war angeblich eine einvernehmliche Lösung.
„Wenn man etwas für Österreich tun kann, macht man es gerne“, sagte Linhart nach seiner Angelobung auf dem Weg ins Außenamt. Am Dienstag um neun Uhr früh wird er sich den Mitarbeitern des Hauses vorstellen – virtuell in einer Videokonferenz, damit sich auch die Beamten auf Auslandsposten einklinken können. Den meisten muss er sich nicht erst vorstellen.