Der 107. und letzte Europäische Rat, an dem die scheidende deutsche Kanzlerin teilnimmt, illustriert die Schwäche ihrer Europapolitik: Konfliktvermeidung um jeden Preis. Unter ihrem Nachfolger wird sich diese Entpolitisierung der Politik kaum fortsetzen.
Nimmt das denn gar kein Ende? Mehr als eineinhalb Jahrzehnte wälzt sich diese deutsche Kanzlerschaft schon dahin. Mehrmals wurden heikle Situationen durch die fast sprichwörtliche Bereitschaft entschärft, zu deeskalieren und notfalls das Scheckbuch zu zücken. Europa ist nicht auseinandergeflogen. Doch diese Konfliktvermeidung um fast jeden Preis, dieses Zudrücken beider Augen vor grundlegenden wirtschafts- und außenpolitischen Problemen, hat einen Preis. Russland, wichtigster Energielieferant Europas, ist ein Quell der Instabilität. In der Währungsunion rumort es gehörig. Und was soll mit der fragilen Südostflanke Europas passieren, dem Westbalkan?
Worüber Brüssel redet
Willkommen in der Dämmerung der Kanzlerschaft Helmut Kohls, irgendwann Ende der 1990er-Jahre. Blickt man auf manche Warnungen und Wehklagen in der Endzeit seiner 16-jährigen Amtszeit zurück, muss man sich fast wundern, dass es die EU noch immer gibt. Ähnliche Probleme wie vor 25 Jahren erfassen die Union auch heute, am Ende einer anderen 16-jährigen Kanzlerschaft, der Angela Merkels. 106 Europäische Räte hat sie bisher absolviert, der heute, Donnerstag, in Brüssel beginnende 107. wird ziemlich sicher ihr letzter sein, wenn die Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen SPD, Grünen und FDP weiterhin so zügig verlaufen wie bisher.