Österreich bekommt 2022 ein neues Gesetz, das den assistierten Suizid mittels einer Sterbeverfügung erlaubt. Was halten Sie von der Neuregelung? Und: Wie stehen Sie persönlich zum Thema Sterbehilfe? Diskutieren Sie mit!
Eine Woche vor Allerheiligen und quasi in letzter Minute hat man sich in Österreich auf eine Neuregelung der Suizid-Beihilfe geeinigt.
Kurzer Rückblick: Ende 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die (undifferenzierte) Strafbarkeit der Beihilfe als verfassungswidrig erklärt und der Politik ein Jahr Zeit für eine Korrektur gegeben. Nun liegt ein Gesetzesvorschlag vor: Ab 2022 gibt es die Möglichkeit, eine Sterbeverfügung zu errichten. Sie ist der Patientenverfügung nachempfunden und berechtigt dazu, ein letales Präparat aus der Apotheke zu beziehen. Damit nicht die Grenze zur Tötung auf Verlangen überschritten wird, muss der Sterbewillige das Präparat selbst einnehmen, was auch über eine Sonde möglich ist.
Die Sterbeverfügung können laut dem Gesetzesvorschlag Personen errichten, die an einer unheilbaren, tödlichen Krankheit leiden, aber auch solche, die „an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen“. Damit sind auch schwere psychische Erkrankungen erfasst. Die Errichtung der Sterbeverfügung wird von zwei Ärzten, einer davon Palliativmediziner, begleitet. Hinzu kommt eine zwölfwöchige Wartezeit, bis Patienten das Suizidpreparat beziehen dürfen. Die Details und offenen Fragen fasst Ulrike Weiser zusammen.
Scharfe Kritik an der kurzen Begutachtungsfrist von drei Wochen übt die Diakonie. Die Ärztekammer reagiert zufrieden auf den türkis-grünen Vorschlag: Präsident Thomas Szekeres sagt, die Position der Ärzte sei gehört worden. Gut sei, dass eine restriktive Lösung gewählt worden sei.
Auch „Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben“, der schon länger für eine Neuregelung kämpft, begrüßt die Gesetzesvorlage in einer Aussendung. Allerdings hätte man sich mehr gewünscht, nämlich parallel zum assistierten Suizid auch eine Aufhebung des Verbots der Tötung auf Verlangen. Außerdem kritisiert „Letzte Hilfe“ die lange „Cooling-off-Phase“. Der Verein sprach sich bereits im September für eine Volksbefragung aus.
In einem Leitartikel lenkt Anne-Catherine Simon unterdessen den Blick auf eine „erstaunliches Manko“: „Keine verpflichtende psychologische Begutachtung und Beratung sind vorgesehen. Obwohl Altersdepression schwer zu erkennen ist. Obwohl Umfragen aus anderen Ländern zeigen, wie sehr Einsamkeit ein Mitgrund für den Wunsch nach Sterbehilfe ist. Wenn das nicht korrigiert wird, bleibt nur die fragile Hoffnung, dass Ärzte im Zweifelsfall einmal mehr Psychologen heranziehen."
Außerdem fehle „eine Kultur des Nachdenkens über den eigenen Tod“, schreibt Simon. Zu einer Patientenverfügung etwa würden sich immer noch die wenigsten entschließen.
Zuletzt merkt Simon an, wie weit andere Länder, etwa die Niederlande, bereits gegangen sind. Sie zitiert aus einem Interview mit dem ehemaligen niederländische Sterbehilfegutachter Theo Boer: „Es wird uns nicht guttun, einander den Tod zu organisieren.“
(sk)
Diskutieren Sie mit: Was halten Sie von der Neuregelung? Geht sie zu weit - oder nicht weit genug? Welche Gefahren birgt das neue Gesetz in sich? Und: Wie stehen Sie persönlich zum Thema Sterbehilfe?