Ungarns Premier traf nur die Zentralfigur der bosnischen Serben, Milorad Dodik.
Sarajewo/Budapest. Ungarns Ministerpräsident, Viktor Orbán, hat dem bosnisch-serbischen Spitzenpolitiker Milorad Dodik am Samstag einen Besuch abgestattet und damit Befremden ausgelöst. Das Treffen fand in Banja Luka, der Hauptstadt des serbischen Landesteils von Bosnien und Herzegowina, statt. Als verwunderlich gilt, dass der Ungar den Weg in die bosnische Hauptstadt Sarajewo scheute und sich mit keinem sonstigen Spitzenpolitiker des Gesamtstaates traf, der aktuell unter Zerfallsgefahr steht.
Akute Zerfallsgefahr
Dodik (62) ist die Kernfigur im serbischen Landesteil Bosniens, der Republika Srpska (RS), sowie das serbische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, dem noch ein Kroate und ein Bosniake (Moslem) angehören. Er möchte die RS von Bosnien abspalten. Zuletzt drohte er mit der Schaffung einer eigenen Armee der bosnischen Serben und der Vertreibung der Bundesinstitutionen. Der Vertreter der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, der Deutsche Christian Schmidt, warnt davor, dass Dodiks Politik zu einem neuen Krieg führen könne.
Der Ministerpräsident der RS, Radovan Višković, sagte nach dem Treffen: „Wir haben die volle Unterstützung von Ministerpräsident Orbán und des Staates Ungarn.“ Der Rechtsnationalist Orbán sucht in vielen Fragen die Nähe zu Russland, das Dodik und seine Abspaltungspolitik unterstützt.
Bosnien und Herzegowina war 1992–1995 Opfer eines von Serbien gestarteten Krieges mit rund 100.000 Todesopfern. Das Friedensabkommen von Dayton (USA) von 1995 schuf die Grundlagen für den heutigen bosnischen Staat, der aus der bosnisch-kroatischen Föderation und der RS besteht. (DPA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2021)