Ukraine-Krise

Viele Fragezeichen zu russischem Truppenabzug aus dem Grenzgebiet

Ein Video soll den Abzug von der Krim belegen.
Ein Video soll den Abzug von der Krim belegen.(c) APA/AFP/Russian Defence Ministry/HANDOUT (HANDOUT)
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Fernsehbilder zeigten den Abzug russischer Militäreinheiten von der Halbinsel Krim. Russlands EU-Botschafter dementierte US-Angaben über einen möglichen Angriff auf die Ukraine. Der Nato zufolge setzt Moskau seinen Truppenaufmarsch dagegen fort.

Russland hat das Ende eines Militärmanövers auf der annektierten Halbinsel Krim bekannt gegeben. Die Einheiten des südlichen Militärbezirks hätten ihre "taktischen Übungen" auf den Militärbasen der Halbinsel beendet und kehrten nun zu ihren Heimatstandorten zurück, teilte das Ministerium am Mittwoch laut Nachrichtenagenturen mit.

Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte am Mittwoch ein Video, dass den Abzug belegen soll. Die Bilder zeigten Militäreinheiten beim Überqueren einer Brücke, die die Halbinsel mit dem Festland verbindet.

Nach Erkenntnissen der NATO setzt Russland dagegen seinen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine hingegen fort. "Bisher haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen. Im Gegenteil: Russland scheint den Militäraufmarsch fortzusetzen", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten.

„Sie haben Truppen immer vor und zurück bewegt"

Dass man Bewegungen von Truppen und Kampfpanzern sehe, beweise nicht, dass es einen echten Rückzug gebe, sagte Stoltenberg. "Sie haben Truppen immer vor und zurück bewegt." Der Politiker sieht daher noch keine konkreten Anzeichen einer Deeskalation. Es bleibe aber dabei, dass die Nato bereit zu Gesprächen mit der Regierung in Moskau sei.

Der Westen befürchtet angesichts des massiven Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine einen russischen Angriff auf das Nachbarland. Die USA hatten als mögliches Invasionsdatum diesen Mittwoch genannt. Am Dienstag hatte Moskau allerdings kurz vor dem Treffen zwischen dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Abzug eines Teils der Truppen von der Grenze angekündigt.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sieht die jüngsten Entwicklungen rund um die Ukraine zurückhaltend. Moskau sende "gemischte Signale", betonte Schallenberg am Mittwoch gegenüber Journalisten vor seinem ersten bilateralen Arbeitsgespräch mit der deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock in Berlin. Einerseits gebe es die Entscheidung der Duma, den Donbass anzuerkennen, andererseits den startenden Abbau von russischen Manövern. "Wir müssen sehr vorsichtig sein."

Schallenberg sprach von einer "Situation der Nagelprobe für die Diplomatie". In dieser Frage gebe es einen "Paarlauf zwischen Österreich und Deutschland". Beide Länder versuchten, europäische Einigkeit herzustellen. Der russische Präsident Wladimir "Putin hat es geschafft, dass der Westen geeint ist wie noch selten" zuvor, betonte der Außenminister.

Moskau weist Angriffspläne zurück

Moskau weist jegliche Angriffspläne zurück und begründete die Truppenmobilisierung im Westen des Landes mit Militärübungen. Zugleich gab der Kreml in den vergangenen Wochen wiederholt an, sich von der NATO bedroht zu fühlen.

Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow wies Warnungen der USA vehement zurück, wonach möglicherweise am Mittwoch russische Truppen ins Nachbarland Ukraine einmarschieren würden. "Ich kann, soweit es Russland betrifft, versichern, dass es an diesem Mittwoch keinen Angriff geben wird. Es wird auch in der kommenden Woche keine Eskalation geben, oder in der Woche danach, oder im kommenden Monat", sagte Tschischow der "Welt".

Er fügte hinzu: "Kriege in Europa beginnen selten an einem Mittwoch." Die USA befürchten nach eigenen Angaben, dass mehrere laufende russische Manöver sowie ein Aufmarsch Zehntausender Soldaten entlang der ukrainischen Grenze der Vorbereitung eines Krieges dienen. Russland weist das zurück.

„Wo sind die Beweise?"

Tschischow verurteilte die alarmierenden Äußerungen über einen möglichen Angriff auf die Ukraine: "Wenn man Anschuldigungen erhebt - insbesondere sehr ernsthafte Anschuldigungen gegenüber Russland - trägt man auch die Verantwortung dafür, Beweise vorzulegen. Ansonsten sind das Verleumdungen. Also, wo sind die Beweise?", fragte er.

Der EU-Botschafter forderte den Westen erneut auf, die russischen Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen. "Wenn unsere Partner endlich unseren legitimen Bedenken zuhören, wird ein Entspannungsprozess nicht lange auf sich warten lassen. Das wäre im Interesse aller Europäer von Lissabon bis Wladiwostok, aber auch aller anderen Nationen dieser Welt."

Präsident Wladimir Putin verlangt in einem Forderungskatalog an die NATO und an die USA, dass der Westen juristisch verbindliche Garantien für Russlands Sicherheit ausstellt. Dazu gehören konkret ein Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine in die NATO und ein Verzicht auf die Stationierung von Waffensystemen, darunter eine US-Raketenabwehr, vor Russlands Grenzen.

Biden hält Angriff weiterhin für möglich

Am Dienstagabend hatte US-Präsident Joe Biden in einer TV-Ansprache gemeint, dass er einen russischen Angriff auf die Ukraine weiterhin für möglich halte. Den USA würden bisher keine Belege vorliegen, dass russische Einheiten abgezogen worden seien. Auf die russischen Sicherheitsbedenken könne eingegangen werden. Die USA böten neue Rüstungskontrollen und andere Maßnahmen an. Russland hatte zuvor einen Teilabzug der nahe der ukrainischen Grenze stationierten Truppen angekündigt. Laut Biden befinden sich aber nach wie vor mehr als 150.000 russische Truppen an der Grenze zur Ukraine.

Zudem warb Biden weiterhin für eine diplomatische Lösung in dem Konflikt. "Wir sollten Diplomatie jede Chance auf Erfolg geben", erklärte Biden im Weißen Haus. Die USA versuchten auch nicht, Russland zu destabilisieren. "An die Bürger Russlands: Sie sind nicht unser Feind."

Der belarussische Außenminister Wladimir Makej erklärt unterdessen, die russischen Truppen würden nach den gemeinsamen Manövern vollständig in ihre Heimat zurückkehren. Nicht ein russischer Soldat oder auch nur ein Ausrüstungsbestandteil würde in Belarus bleiben. Westliche Staaten hatte die Befürchtung geäußert, russische Truppen könnten von Belarus aus die Ukraine angreifen oder dauerhaft in Belarus bleiben.

(Reuters/APA/dpa/AFP)

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