Der russische Überfall auf die Ukraine zeigt deutlich, dass man Autokraten wie Putin mit Wirtschaftssanktionen allein nicht beikommt.
Putins Krieg ist ein Paradigmenwechsel auf so vielen Ebenen, dass diese – man kann es durchaus so bezeichnen – politische Revolution fast untergeht: In Deutschland hat die Bundesregierung die Lieferung von Waffen an die kriegsführende Ukraine beschlossen. Und auch die grünen Mitglieder dieser Regierung haben am Sonntag eine massive Aufrüstung der Bundeswehr um 100 Milliarden Euro unterstützt.
Wenn sogar eine pazifistisch orientierte Partei, die viele Jahre lang jeden in das Heer gesteckten Euro für Verschwendung hielt, auf einmal die Notwendigkeit eines starken Militärs erkennt, dann ist eines deutlich: Europa ist aufgewacht. Nach dem für undenkbar gehaltenen und völlig irrationalen Schritt des russischen Präsidenten ist klar, wohin der Weg führen muss: Die EU kann nicht mehr nur eine Wirtschaftsmacht sein, sie wird auch eine militärische Macht werden müssen.
Dass sie es Jahrzehnte, nachdem der damalige US-Außenminister Henry Kissinger ein wenig verächtlich gemeint hatte, wen er denn anrufen soll, wenn er mit Europa reden wolle, noch nicht ist, ist eines der Versäumnisse der Union. Dabei haben zwei große Europäer die Idee schon früh geboren: Anfang der 1990er-Jahre schlugen der damalige deutsche Bundeskanzler, Helmut Kohl, und der französische Präsident, Francois Mitterrand, die Gründung einer europäischen Armee vor.
Geworden ist es 1995 nur das multinationale, lose Eurokorps – begleitet von spöttischen Berichten, wie denn eine europäische Armee funktionieren könne, wenn man schon Schwierigkeiten habe, die paar Soldaten im Gleichschritt marschieren zu lassen (die Deutschen marschierten mit 114 Schritt pro Minute, die Franzosen mit 95).