Der russische Überfall auf die Ukraine zieht rechtliche Prozesse auf verschiedensten Ebenen nach sich. Ein Verfahren gegen den Kreml-Chef ist denkbar, die Vollstreckung einer Strafe eher nicht.
Wien. Russlands Präsident, Wladimir Putin, und sein engster Machtzirkel dürften weltweit die einzigen sein, die den Angriff auf die Ukraine als Mittel zur Durchsetzung des Völkerrechts interpretieren. Aus dieser verqueren Sicht soll es sich um einen Akt kollektiver Selbstverteidigung gegen angeblichen Völkermord handeln, den die Ukraine im Donbass begehe. Wahr ist hingegen nach übereinstimmender Meinung aller Experten, dass der russische Angriffskrieg ein eklatanter Bruch des Völkerrechts ist. Doch wie kann dieser geahndet werden?
1. Warum klagt die Ukraine vor dem Internationalen Gerichtshof?
Kiew klagte Russland gleich nach Beginn der Offensive vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Dies könnte zur ersten, wenn auch nur vorläufigen Entscheidung eines internationalen Gerichts führen. Die Ukraine stützte sich auf die Völkermordkonvention (1948). Diese sieht eine verpflichtende Zuständigkeit des IGH vor. Auch für Russland, dem die Ukraine eine missbräuchliche Berufung auf Völkermord vorwirft; zugleich fordert Kiew Sofortmaßnahmen, um vor Völkermord gegen Ukrainer zu schützen.