Ein Sieg der Rechtspopulistin würde das Machtgefüge in der EU gehörig durcheinanderwirbeln. Doch viele ihrer Vorhaben sind utopisch.
Wien/Paris/Brüssel. Wenn in acht Tagen die Stichwahl zur französischen Präsidentschaft über die Bühne geht, ist das auch eine Schicksalsentscheidung für die EU. Konträrer könnten die Vorstellungen der Kandidaten für den Élysée über die Zukunft der Union nicht sein: Auf der einen Seite der deklarierte Proeuropäer Emmanuel Macron, auf der anderen Herausforderin Marine Le Pen, die noch bei ihrer Kandidatur 2017 für einen Austritt Frankreichs aus der Eurozone geworben hat. So weit will die Chefin des rechten Rassemblement National (RN) heute nicht mehr gehen. Sie hat dazugelernt, sich das Image einer Staatsfrau verpasst. Tatsächlich sagen die Umfragen ein knapperes Ergebnis als vor fünf Jahren voraus, wenngleich Macron seinen kleinen Vorsprung zuletzt etwas ausbauen konnte.
In Brüssel ist das kein Grund zur vorzeitigen Entspannung. Die Hoffnung, dass die russische Invasion in der Ukraine Le Pen wegen ihrer noch vor Kriegsbeginn stolz zur Schau getragenen Nähe zu Wladimir Putin schaden könnte, hat sich nicht erfüllt. Mittlerweile hat sich die 53-Jährige von Putin distanziert – plädiert aber dafür, nach Kriegsende wieder ein „strategisches Verhältnis“ zu Moskau aufzubauen. „Ein sehr französischer, nüchterner Ansatz, der von der Bevölkerung durchaus geteilt wird“, analysiert Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts, im „Presse“-Gespräch.