Die Enthüllungsplattform veröffentlicht 250.000 geheime Dokumente der US-Diplomatie und bringt damit Obamas Regierung in die Bredouille. Zahlreiche europäische Regierungschefs kommen in den Depeschen schlecht weg.
Die Internetplattform Wikileaks hat am Sonntag mit der Veröffentlichung von 250.000 teils geheimen Dokumente der US-Diplomatie begonnen. Medien wie die "New York Times" und "Der Spiegel" veröffentlichten vorab einige brisante Inhalte der US-Depeschen.
Die Dokumente zeigen, wie schlecht die USA von so mancher verbündeten Regierung denken, und wie amerikanische Diplomaten die Diplomaten anderer Länder bei der UNO ausspionieren sollten. Unter den geheimen Depeschen befinden sich auch Dokumente aus Wien.
Wikileaks
Wikileaks wurde 2007 von dem Australier Julian Assange gegründet. Die Plattform publiziert geheime Dokumente, die von anonymen Quellen zugespielt werden. Breiter bekannt wurde sie mit der Veröffentlichung von geheimen Dokumenten zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak.
Die wichtigsten Inhalte der US-Dokumente:
- US-Botschafter sollten spionieren
Den Veröffentlichungen zufolge sollten amerikanische Diplomaten im Auftrag von Außenministerin Hillary Clinton die Diplomaten anderer Länder bei den Vereinten Nationen ausspähen. Zu den zu sammelnden Informationen zählten laut "Spiegel" persönliche Kreditkarteninformationen, Vielflieger-Kundennummern sowie E-Mail- und Telefonverzeichnisse und sogar "biometrische Daten". Auch Auskünfte über die Pläne und Absichten von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und seinem Sekretariat zu Themen wie dem Iran seien Teil der ausführlichen Wunschliste aus dem US-Außenministerium.
- Charakterisierungen von Regierungschefs
Viele Regierungschef werden in den Dokumenten wenig schmeichelhaft beschrieben: Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bescheinigen die Amerikaner, "selten kreativ" zu sein und das Risiko zu meiden. Den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy bezeichnen die US-Diplomaten als "Kaiser ohne Kleider".Der russische Ministerpräsidenten Wladimir Putin wird als "Alpha-Rüde" bezeichnet, der russische Präsident Dmitrij Medwedjew als "blass" und "zögerlich"
- "Araber-Allianz" gegen den Iran
US-Diplomaten hätten "eine geheime Allianz arabischer Staaten gegen den Iran und sein Atomprogramm geschmiedet", schrieb der "Spiegel". Der "Guardian" berichtete, der saudische König Abdullah habe die USA mehrfach aufgefordert, das Teheraner Atomprogramm mit einem Angriff auf den Iran zu zerstören. Vertreter Jordaniens und aus Bahrain hätten offen dazu aufgerufen, das iranische Nuklearprogramm mit allen Mitteln zu beenden.
- Türkei - islamistische Tendenzen in Regierung
"Der Spiegel" berichtete unter Berufung auf die Dokumente, dass die USA über "islamistische Tendenzen" in der Regierung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan besorgt seien. Diplomaten der Vereinigten Staaten hätten an der Verlässlichkeit der Türkei tiefe Zweifel. Viele Spitzenkräfte der Regierungspartei AKP seien Mitglieder einer muslimischen Bruderschaft, Erdogan habe islamistische Banker in einflussreiche Positionen gehoben. Der Premier informiere sich fast ausschließlich über Islamisten-nahe Zeitungen und inszeniere sich als "Volkstribun von Anatolien".
- Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen "erkauft"
Aus den Unterlagen geht Medienberichten zufolge außerdem hervor, dass die USA sich mit teils handfesten Geschäften die Zusage verschiedener Staaten zur Aufnahme ehemaliger Guantánamo-Häftlinge sicherten. Slowenien wurde demnach deutlich gemacht, dass ein Treffen seines Staatschefs mit US-Präsident Barack Obama von einem Ja abhängig gemacht werde. Der Pazifikinsel Kiribati seien für die Aufnahme einer Gruppe von ehemaligen Gefangenen mehrere Millionen Dollar geboten worden.
Die Internetplattform Wikileaks hat 250.000 geheime Dokumente der US-Diplomatie veröffentlicht. Diese diplomatischen US-Depeschen enthüllen die kritische Haltung der US-Amerikaner gegenüber anderen verbündeten Regierungen - Spitzenpolitiker anderer Länder werden abschätzig und beleidigend beurteilt.Anschließend ein Auszüge der skandalträchtigen Diplomaten-Bewertungen ... (c) Reuters (Toru Hanai)
Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad wird in den Depeschen gar mit Adolf Hitler verglichen. Diese Einschätzung folgt dem Vergleich der derzeitigen Lage angesichts des iranischen Atomprogramms mit der Situation vor dem Zweiten Weltkrieg durch einen US-Diplomaten in Abu Dhabi. (c) AP (Abolfazl Nesaei)
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel wird von US-Diplomaten als "selten kreativ" und risikoscheu eingeschätzt. In einer Depesche ist die Rede von "Angela 'Teflon' Merkel", weil viel an ihr abgleite. (c) EPA
Indes wird ihr in außenpolitischen Fragen mehr Erfahrung zugesprochen als dem eigentlich für das Amt zuständigen Außenminister Guido Westerwelle. Er gilt unter US-Diplomaten als inkompetent, eitel und amerikakritisch. (c) Reuters (Kai Pfaffenbach)
Er sei ein "verrückter alter Mann": So lautet Wikileaks zufolge das Urteil von Südafrikas Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane über den Präsidenten Simbabwes, Robert Mugabe. (c) REUTERS (PHILIMON BULAWAYO)
Russlands Regierungschef Wladimir Putin und Präsident Dimitrij Medwedjew werden in den Dokumenten mit Batman und dessen Juniorpartner Robin verglichen ... (c) AP (Alexander Zemlianichenko)
Der eigentliche Staatschef Dimitrij Medwedjew ist nach Einschätzung von US-Diplomaten "blass" und "zögerlich" und wird dabei vom "Alpha-Rüden" Putin an den Rand gedrängt (c) AP (Alexander Zemlianichenko)
Der afghanische Präsident Hamid Karzai gilt den Dokumenten zufolge als "schwache Persönlichkeit", die von "Paranoia" getrieben sei. Auch sein jüngerer Halbbruder Ahmed Wali Karzai wird erwähnt: Er sei ein korrupter Drogenbaron, heißt es in einer Depesche. (c) Reuters (Ahmad Masood)
Pikante Details werden über Libyens Machthaber Muammar Al- Gaddafi bekannt: So soll der umstrittene Staatschef vollkommen abhängig von seinem ihm umgebenden Netzwerk aus Vertrauten sein. Den Dokumenten zufolge hat er außerdem Angst davor, übers Wasser zu fliegen, und geht ohnehin nie ohne eine ganz bestimmte "üppige" blonde Krankenschwester aus der Ukraine auf Reisen. (c) EPA (Sabri Elmhedwi)
Frankreichs Präsident Nicolas Szarkozy gilt unter US-Botschaftern als "empfindlich und autoritär". Gegenüber seinen Mitarbeitern bescheinigen ihm die Diplomaten ein teils schroffes Verhalten. (c) EPA (Eric Effenberg)
... so das Image der US-Diplomaten von Silvio Berlusconi, dem italienischen Premier. (c) EPA (Ettore Ferrari)
In den Wikileaks-Berichten enthüllten wird auch über den Gesundheitszustand von Silvio Berlusconi berichtet. Ein Senators aus dem Berlusconi-Lager, Gianpiero Cantoni, soll sich über Berlusconis ausschweifenden Lebensstil gesagt haben und sagte: "Die Resultate der letzten ärztlichen Tests waren verheerend. Wir sind alle über Berlusconis Gesundheit besorgt." (c) Reuters (Francois Lenoir)
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan kommt nicht gerade glimpflich davon. US-Diplomaten bescheinigen ihm islamistische Tendenzen und ein unrealistisches Weltbild. Er wird mitunter als isoliert und schlecht informiert eingeschätzt und vertraut weder seinen Ministern noch Gott - obwohl er an ihn glaubt. Reuters (Umit Bektas)
Das Urteil über Horst Seehofer (CSU), Ministerpräsident Bayern (c) EPA (Bernd Weissrod)
... soll Kim Jong-il, Machthaber Nordkoreas, haben. (c) Reuters (Fabrizio Bensch)
So wird die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner von Mitarbeitern der US-Botschaft in Buenos Aires bezeichnet. Außenministerin Hillary Clinton hat außerdem Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der argentinischen Präsidentin gehabt. In einer der Depeschen, die von der Internetplattform Wikileaks veröffentlicht wurden, fragte Clinton nach dem geistigen Zustand der südamerikanischen Staatschefin und nach ihrem sonstigen Gesundheitszustand.>> "Cablegate" - WikiLeaks deckt Diplomaten-Skandal auf
USA: Veröffentlichung "unverantwortlich und gefährlich"
Die US-Regierung nannte die Veröffentlichungen "unverantwortlich und gefährlich". Die Enthüllungen würden Leben gefährden.
Die Enthüllungs-Aktivisten von Wikileaks konterten, sie hätten der US-Regierung angeboten, die Namen von gefährdeten Informanten aus der Datenbank der mehr als 250.000 diplomatischen Depeschen zu entfernen.