Ex-Brexit-Minister macht Stimmung gegen die von der Parteibasis favorisierte Handels-Staatssekretärin: "Ich hatte das Gefühl, dass sie die Details nicht beherrschte“, so David Frost über die Brexit-Verhandlungen.
Im Ringen um die Nachfolge des britischen Premierministers Boris Johnson wird der Ton in der Konservativen Partei rauer. Unmittelbar vor der zweiten Abstimmung in der Tory-Parlamentsfraktion sprach der einflussreiche frühere Brexit-Minister David Frost der Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt, die als Favoritin der Parteibasis gilt, die Fähigkeit zum Regieren ab. Er habe schwere Bedenken, ob seine einstige Stellvertreterin geeignet sei, sagte Frost am Donnerstag.
Für Donnerstagmittag war der zweite Wahlgang geplant. Sechs Bewerberinnen und Bewerber stehen zur Abstimmung. Der oder die Letztplatzierte scheidet aus. Mit einem Ergebnis wurde für 16 Uhr (MESZ) gerechnet. Bis zum kommenden Donnerstag soll die Auswahl in mehreren Runden auf zwei Kandidaten reduziert werden. Zwischen ihnen entscheiden dann die Parteimitglieder in einer Stichwahl.
"Ich hatte das Gefühl, dass sie die Details nicht beherrschte, die bei den Verhandlungen im letzten Jahr notwendig waren. Sie hat der Europäischen Union nicht immer die harten Botschaften übermittelt, die notwendig waren", sagte Frost. "Manchmal wusste ich nicht einmal, wo sie war." Der einstige Brexit-Verhandlungsführer gehört dem rechtskonservativen Parteiflügel an. Es wird erwartet, dass er im parteiinternen Wahlkampf Außenministerin Liz Truss unterstützen wird.
Truss gilt als eine der Favoritinnen, landete jedoch im ersten Wahlgang am Mittwoch nur auf Rang drei hinter Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der ebenfalls als Vertreter des liberalen Flügels gilt, und Mordaunt. Auch andere rechtskonservative Parteimitglieder attackierten die Staatssekretärin. Sie werfen ihr unter anderem eine zu liberale Haltung zu Transrechten vor.
Kandidatenfeld wird ausgedünnt
Die Abstimmungen in der konservativen Fraktion sollen in den kommenden Tagen so lange fortgesetzt werden, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Diese sollen sich dann einer Stichwahl der Parteimitglieder über den Sommer stellen. Ein Johnson-Nachfolger soll am 5. September gekürt werden.
Johnson war in der vergangenen Woche unter massivem Druck aus seiner Fraktion und dem Kabinett vom Amt des Parteichefs zurückgetreten. Der Premier hatte zuvor mit einem Skandal nach dem anderen zu kämpfen. Bis zur Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers will er aber noch im Amt bleiben.
Scharfer Ton
Der Ton im Rennen um die Nachfolge Johnsons hatte bereits am Mittwoch an Schärfe zugenommen. Zum Ziel von verbalen Angriffen wurde vor allem der als Favorit geltende Sunak. Kulturministerin Nadine Dorries bezichtigte sein Team "schmutziger Tricks", Sunak-Unterstützer hätten Jeremy Hunt Stimmen geliehen, um einen leicht zu schlagenden Kandidaten in die Endrunde zu bringen, so der Vorwurf.
Brexit-Staatssekretär Jacob Rees-Mogg griff Sunak ebenfalls an. Der Ex-Finanzminister habe "wirtschaftlich schädliche" Steuererhöhungen durchgesetzt, sagte Rees-Mogg dem Sender Sky News. Sunaks Steuerpolitik hatte er zuvor sogar mit Sozialismus - einem Schimpfwort unter britischen Konservativen - verglichen. Sowohl Dorries als auch Rees-Mogg gelten als treue Johnson-Anhänger. Beide sprachen sich für Truss als dessen Nachfolgerin aus.
Einer Umfrage von YouGov unter fast 900 Tory-Mitgliedern zufolge ist allerdings nicht Sunak, sondern Mordaunt die Favoritin der Tory-Mitglieder: Im direkten Vergleich schlug sie alle Rivalen.
Johnson gab sich bei der wöchentlichen Fragestunde am Mittwoch unterdessen trotzig. "Es ist wahr, dass ich nicht zum Zeitpunkt meiner Wahl gehe", sagte Johnson. Er sei aber stolz auf die Teamarbeit und die Führung seiner Amtszeit und fügte hinzu: "Ich werde bald erhobenen Hauptes gehen." Hoffnungen, sein Abgang werde das Ende des Brexits einläuten, seien verfehlt, so der Premier weiter.
Johnson war in der vergangenen Woche unter massivem Druck aus seiner Fraktion und dem Kabinett vom Amt des Parteichefs zurückgetreten.